Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
bestanden trotzdem auf ihrem Lohn. Das Wasser stand ihm bis zum Hals.
Er änderte seine Taktik. » Du würdest doch sicher nicht tatenlos zusehen, wie dein leiblicher Neffe ins Gefängnis geworfen und der Folter unterzogen wird? Der einzige Sohn deines schwerkranken Bruders? Wo bleibt denn dein viel gerühmter Familiensinn, lieber Onkel?«, fragte er schmollend und mit gespieltem Vorwurf in der Stimme.
Sein Onkel jedoch reagierte heftiger als gedacht. » Oho? Wer lässt es denn daran mangeln, mein lieber Neffe? Du kommst zwar zu mir, deinem einzigen Onkel, wie du sagst, bittest aber doch stets nur den Senator und amtierenden Zehnerrat um Hilfe, oder du willst Geld. Nennst du das etwa Familiensinn?«
Mit unbewegtem Gesicht betrachtete Andrea Capello seinen Neffen. Unwillkürlich legte er dabei eine Hand auf sein Herz. Ihm war, als müsse er in diesem Augenblick Abschied nehmen von dem Jungen.
*
Die meisten Ruderer der San Pietro hatten die Zollstation bereits mit dem Fährboot verlassen und wurden hinüber zur Piazza gebracht. Mit der nächsten Fähre würde man die Passagiere, den Kapitän und die restliche Mannschaft abholen. Signorina Sarah und ihre Dienerin standen reisefertig neben dem geöffneten Schanzkleid, hielten ihre Bündel umklammert und warteten auf die Rückkehr des Fährbootes.
Alles war, wie es sein sollte, und Kapitän Pacelli fühlte sich ausgesprochen zufrieden. Auf dieser Reise hatte es keine besonderen Probleme gegeben, er hatte Schiff und Ladung heil in den Hafen gebracht, und gleich würde die San Pietro ordnungsgemäß versiegelt werden. Dann waren die Zollbeamten, die jetzt noch durch die Laderäume krabbelten, für die Bewachung zuständig, und alles Weitere hatte bis morgen Zeit. Gedankenverloren kratzte er sich hinter den Ohren.
Natürlich wartete auf ihn noch viel Arbeit, überlegte er, und wie immer würde es seine Zeit dauern, bis er diese Reise endgültig abgeschlossen hatte. Wenn nur diese lästigen Pusteln nicht wären. Erneut musste er sich kratzen. Doch je mehr er kratzte, desto schlimmer wurde der Juckreiz, bis er das Gefühl hatte, tausend Ameisen liefen ihm über Arme, Brust und Rücken.
Zunächst freute er sich allerdings auf einen Abend in der Taverne am Arsenal. Im » Leone D’Oro« fühlten sich die Kapitäne zwischen ihren Fahrten nicht wie Fische auf dem Trockenen, sondern wie zuhause. Bei dieser Aussicht ließ der Druck auf Pacelli ein wenig nach. Bevor er allerdings den verdienten Wein genießen konnte, überlegte er, gab es noch eines zu erledigen: Er musste die kleine Signorina zu den Capellos begleiten.
Das Fährboot war zurück und kam längsseits. Plötzlich jedoch, gerade, als die Signorina in das Boot kletterte, begann er am ganzen Leib zu zittern.
» Giulio, presto «, befahl er seinem Diener mit klappernden Zähnen, » bring mir meinen Umhang. Verflucht , ist das plötzlich kalt geworden.«
Noch bevor der Diener ihn erreichte, knickten Pacellis Knie ein, und zu seinem eigenen Erstaunen fand er sich auf den Decksplanken wieder.
» Madonna! Was ist mit Euch?«
» Hol einen Arzt.« Pacelli krümmte sich, gleichzeitig bebten seine Glieder. » Bring David her, ich will keinen der verdammten Quacksalber von Seuchenärzten an Bord sehen.« Den offiziellen Ärzten, die im Auftrag der Signoria handelten, traute er nicht. Sie ließen jeden zur Ader, der sich nicht wehrte, und auf alle Wunden schmierten sie die gleiche obskure Salbe. Außerdem scherten sie sich einen Dreck um Sauberkeit. Nein, er vertraute einzig und allein David, dem jüdischen Arzt des Arsenals.
Einer der Zöllner kam aus dem Laderaum an Deck geklettert, mit einem Schreibbrett in der Hand, und öffnete den Mund zu einer Frage. Beim Anblick des sich windenden Kranken machte er jedoch einen raschen Schritt beiseite und stierte aus sicherer Entfernung auf den Kapitän.
In diesem Augenblick drehte sich auch Sarah um und sah Pacelli am Boden liegen. Unwillkürlich wollte sie aus dem Fährboot zurück an Bord, um ihm auf die Beine zu helfen, doch der Kapitän winkte ab.
» Fort! Fahrt um Gottes willen sofort los«, rief er zu ihr hinunter. Ein Hustenanfall unterbrach ihn. Er hustete, dass es ihn schüttelte und den Schweiß auf die Stirn trieb. Es dauerte eine Weile, bis er wieder zu Atem kam. Dann rief er ihr zu: » Rasch, sonst müsst Ihr an Bord bleiben. Mich werden sie jetzt wohl nicht mehr an Land lassen, vielleicht bringen sie mich sogar doch noch auf die verdammte Seucheninsel. Geht
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