Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Zudem, und das trotz offiziellem Friedensvertrag, hatten die Kapitäne unterwegs vermehrt mit den Osmanen und ihren Verbündeten zu rechnen, sogar die venezianischen Stützpunkte an den Küsten der Levante waren nicht mehr sicher. Obgleich man die Befestigungen verstärkt und die Besatzungen in sämtlichen Festungen Istriens aufgestockt hatte, hatten die Piratenüberfälle bereits zum schmerzlichen Verlust etlicher venezianischer Kolonien in der Ägäis geführt. Ohne hohe Tributzahlungen, zusätzlich zu den sowieso horrenden Kosten, war derzeit ein Warenaustausch kaum noch möglich.
Die mächtigen Familiengesellschaften, Handelsgruppen und reichen Kaufherren protestierten und erklärten, angesichts des gestiegenen Risikos und der hohen Frachtkosten und Versicherungsgebühren den Waren- und Geldfluss in die Stadt nicht länger garantieren zu können. Einig wie selten forderten sie daher Abhilfe durch ausreichend bewaffnete Begleitschiffe, die ihren Handelsschiffen einen effektiven Schutz bieten konnten.
Seitdem wurde im Arsenal mit Nachdruck gearbeitet, und täglich liefen zwei neue Galeassen vom Stapel, endlich ausgestattet auch mit Kanonen. Noch war nichts entschieden, aber allmählich sollten die Osmanen zurückgedrängt werden können.
Pacelli griff in den Sack mit Holzresten, die ihm als ehrbarem Kapitän von den benachbarten Werften überlassen wurden, und legte nach. Rücken und Ohren glühten bereits, sonst aber fror er. Er rieb seine Hände über dem Feuer. Der Sommer war vorüber. Gleich nach seiner Ankunft war von Norden ein kalter Wind aufgekommen, der häufig um diese Zeit auftrat. Wo die kleine Signorina wohl abgeblieben war? Während der Reise war ihm die junge Frau ans Herz gewachsen, und auch jetzt noch fühlte er sich irgendwie für sie verantwortlich. Voll Sorge, sie könnte seinetwegen auf die Seucheninsel verbannt werden, hatte er sie von Bord gescheucht, unnötigerweise, wie sich herausgestellt hatte. Und nun? War sie tatsächlich beim alten Capello untergekommen, oder hatte sie diesen Namen nur genannt, um ihn und seine neugierigen Fragen abzuwehren?
*
Erst nach dem dritten Klopfen, das dumpf durch das Haus dröhnte, öffnete sich im Obergeschoss ein Fensterladen. Gegen den Nachthimmel wurde ein Kopf sichtbar, der jedoch alsbald wieder verschwand. Dann endlich vernahm Sarah Schritte hinter der Tür. Eine mürrische alte Frau öffnete, der Kleidung und dem Geruch nach eine Küchenmagd. Sie schien bereits geschlafen zu haben und war sichtlich nicht erfreut über den späten Besuch.
» Ja?«, brummte sie, trat einen Schritt aus der Tür hinaus auf die Gasse und spähte an Yasmîna und Sarah vorbei nach rechts und nach links in die Dunkelheit. Dann erst ließ sie den Schein ihres kleinen Talglichtes über die beiden jungen Frauen gleiten. » Ihr wünscht?«
» Mein Name ist Sarah de Álvarez. Ich möchte Kapitän Capello besuchen, Kapitän Marino Capello.«
Im Gesicht der Magd spiegelte sich ein Anflug von Neugier. Flink taxierte sie Sarahs Erscheinung. » Jetzt? Erwartet er Euch? Seid Ihr angemeldet?«
Sarah hatte Mühe, die nuschelnde Frau zu verstehen. Ihre Sprache wies nicht viel Ähnlichkeit mit dem Italienischen auf, das sie gelernt hatte, zudem fehlten ihr mehrere Zähne. » Nein, das nicht, aber ich muss ihn in einer dringenden Angelegenheit sprechen.«
» Wisst Ihr, wie spät es ist?«
» Sehr spät, ich weiß«, sagte Sarah und umfasste den Perlenbeutel mit beiden Händen. » Wir sind soeben erst angekommen. Melde mich also an.«
» Er ist beschäftigt. Kommt morgen wieder.«
In diesem Moment streifte ein matter Lichtschein aus dem Obergeschoss den Boden der Halle. Er wanderte die Treppe hinab, glitt über verschmutzte Wände und schadhafte Stufen, kam näher über den abgetretenen Mosaikboden des Vorraums und wischte schließlich über die Besucherinnen unter der Tür. Sarah erahnte einen Mann hinter dem hellen Lichtkegel, der jetzt auf ihrem Gesicht verharrte. Die schemenhafte Gestalt mit der Laterne – sie hatte Marinos Statur. Geblendet schloss Sarah die Augen. » Porca !« Das war seine Stimme.
Ihr Herz raste. » Marino?« Vergeblich versuchte Sarah, sein Gesicht hinter dem Licht zu erkennen.
» Was … Ist es denn die Möglichkeit! Sarah? Sarah aus Mogador? Wie kommst du hierher?«
» Ich kann nichts sehen, dreh bitte das Licht beiseite.«
» Natürlich, scusa. Wie kommst du hierher? Und was tust du hier?« Das Licht blieb auf ihrem Gesicht.
» Ich wollte … Du
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