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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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ein winziges erleuchtetes Fenster im Obergeschoss lag das Gebäude im Dunkeln. Doch sogar bei Dunkelheit erkannte man den fortgeschrittenen Verfall des Hauses.
    Yasmîna flüsterte: » Vermutlich schlafen sie alle.« Mit zurückgelegtem Kopf schaute sie an der Fassade hinauf. » Sollten wir nicht lieber bis morgen warten? Denkst du nicht, dass es besser ist, wenn wir bei Tageslicht wiederkommen?« Sie hatte kein gutes Gefühl, und das lag nicht allein daran, dass sie fremd waren in dieser Stadt. Vielleicht hätten sie die Frau des Rabbi doch hartnäckiger befragen sollen, deren Abwehrhaltung konnte schließlich alles Mögliche bedeuten. Yasmînas Blicke huschten durch die Dunkelheit. Die Häuserreihen mit ihren verschlossenen Fenstern ängstigten sie ebenso wie das Fehlen vernünftiger Straßen. Sollte sie in Zukunft etwa jeden Weg mit einem dieser schwankenden Boote machen? Davor graute ihr schon jetzt. Aber vielleicht kam es ja gar nicht so weit. Bis eben hatte sie jedes Wort ihrer Herrin bedingungslos geglaubt. » Wir werden schon bald heiraten«, hatte sie immer wieder gesagt, zutiefst davon überzeugt, ein großartiges Leben liege vor ihr. Jetzt jedoch, vor diesem finsteren Haus, kamen Yasmîna Zweifel. Die meisten Häuser auf dieser wie auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals wirkten wohlhabend und gepflegt, zumindest gediegen, doch nicht so der Palazzo Capello. Er sah unheimlich aus. Unwillkürlich streckte sich Yasmînas geöffnete Hand gegen das Gebäude, um böse Dschinn abzuwehren.
    Auch Sarah schwieg beklommen. Sie stand vor dem Haus, in der einen Hand ihren Perlenbeutel, die andere vor dem Leib, und kämpfte gegen ihre Unsicherheit an. Seitdem sie die Gondel bestiegen hatte, war ihre Zuversicht verschwunden, und je näher sie diesem Haus kam und je enger die Kanäle wurden, desto unbehaglicher fühlte sie sich. Jetzt, da sie endlich ihr Ziel erreicht hatte, wurde eine Stimme in ihrem Inneren unüberhörbar: Hatte sie einen Fehler begangen? Wie konnte sie sich einem Mann andienen, den sie zwar mit jeder Faser ihres Herzens liebte, der sie aber verlassen hatte?
    So, nun war der Gedanke heraus: Er hatte sie in Mogador verlassen, zumindest zurückgelassen. Bisher hatte sie es erfolgreich vermieden, auf derartige Einwände ihrer inneren Stimme einzugehen, Marino liebte sie, das war das Wichtigste. Liebte er sie wirklich? Oh ja, das wohl schon, ganz sicher sogar, aber würde er sie auch heiraten?
    Sarah blieb noch einen Moment stehen, atmete schwer, und ein schwacher Klagelaut entrang sich ihrer Kehle.
    Vom Kanal stieg übler Geruch auf, der sich mit dem von gärendem Obst mischte. Er strömte über die Mauern eines benachbarten kleinen Gartens, in dem ein paar Katzen fauchten. Sonst vernahm man kein Geräusch.
    Anstelle von Sehnsucht, sich in Marinos Arme zu stürzen, fühlte sie plötzlich Unheil und Zaudern. Selbst der Gedanke, schnellstens umzukehren und nach Santa Cruz zurückzukehren, streifte Sarah.
    Sie richtete sich auf und hob das Kinn. Das kam überhaupt nicht in Frage! Zurückgehen würde sie erst, wenn sie sich ihren Eltern gemeinsam mit Marino und dem Kind präsentieren konnte. Nach vorn musste sie blicken, wo Marino und mit ihm ihr Glück auf sie wartete. Sarah betätigte den Türklopfer.
    *
    » Was redet Ihr denn für einen Blödsinn? Varicella, die Windpocken?«, brüllte Pacelli. » Das kann nicht Euer Ernst sein!«
    David, der Arzt, grinste von einem Ohr zum anderen. » Oh doch, oh doch! Wie ich schon an Bord sagte: Eindeutig Windpocken und nichts anderes. Seid froh, andernfalls hätte man Euch auf die Insel gebracht, so aber habt Ihr es in spätestens zehn Tagen überstanden. Was ist dagegen das bisschen Spott der Zöllner? Haltet still, damit ich Euch die Pusteln auf dem Rücken einreiben kann. Sie sollen austrocknen und sich nicht öffnen, sonst entzünden sie sich womöglich. Und Ihr dürft nicht kratzen, habt Ihr mich verstanden?« Mit einer zähen weißen Salbe bestrich der Arzt geduldig eine Pocke nach der anderen, auch die hinter den Ohren, unter den Armen und am Kinn.
    » Für den Fall, dass weitere Bläschen auftreten, lasse ich Euch morgen mehr von dieser Salbe anmischen. Heute Abend aber gönnt Ihr Euch am besten ein paar tüchtige Gläser Wein, dann schlaft Ihr gut«, lautete seine Anweisung. » Und bleibt mir ja im Haus. Ich will keinesfalls hören, dass Ihr im Arsenal gesichtet wurdet. Diese Bläschen breiten sich rasend schnell aus, und sämtliche arsenalotti, alle

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