Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
warst auf einmal fort … Ich habe dich vermisst.« Sie spürte, wie sie bis unter die Haarwurzeln errötete. Um ihr Gesicht zu verbergen, senkte sie den Kopf.
» Ach so, ja. Aber … Ist dein Vater ebenfalls in Venedig? Und deine Mutter?«
» Nein. Willst du mich nicht hereinbitten?« Sarah schluckte.
Jetzt endlich wurde die Laterne abgeblendet. Erst langsam stellten sich ihre Augen auf das Dämmerlicht ein, und sie konnte Marino erkennen. Er stand mitten in der Halle, barfuß, mit strähnigen Haaren und nachlässig gekleidet. Verblüfft starrte er sie an, als sähe er einen Geist.
Angesichts seiner Fassungslosigkeit fühlte sich Sarah plötzlich beinahe ruhig. Es gelang ihr sogar zu lächeln. » Komm herein, Yasmîna«, sagte sie, drängte sich an der Magd vorbei in die Halle und stellte ihren Beutel auf den Boden. » So. Da sind wir.«
» Was willst du hier?«
» Weißt du, das Gleiche habe ich mich selbst gefragt, als ich vor deiner Tür stand.« Es sollte unbeschwert klingen, doch noch während sie sprach, verging in ihren Mundwinkeln zitternd das Lächeln. Warum begrüßte er sie nicht anständig, warum nahm er sie nicht in die Arme? Freute er sich etwa nicht, sie zu sehen?
Die Laterne stand auf einem Stuhl, dem einzigen Möbelstück in der Halle, soweit sie erkennen konnte, und warf ihr Licht auf ein ehemals erlesenes, inzwischen aber abgewetztes Fußbodenmosaik. Die Wände, die sie im Dämmerlicht nur erahnen konnte, schienen einen muffigen Geruch abzusondern. Neben der weit geöffneten Tür, durch die modrige Schwaden vom Kanal hereindrangen, lauerte die Magd und ließ sich kein Wort entgehen. Marino aber stand immer noch unbeweglich wie eine Statue und starrte sie ungläubig an.
Wie anders hatte sie sich diese Begegnung vorgestellt, leicht, voller Zärtlichkeit und Freude. Stattdessen blickten seine Augen abwartend, und um seinen Mund lag ein misstrauischer Zug.
Sarah schluckte an dem Kloß in ihrem Hals. Was sollte sie sagen, wie ihm erklären, wovon sie seit Monaten träumte? Hätte sie doch nur früher darüber nachgedacht, jetzt, wo es darauf ankam, konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Rasch trat sie einen Schritt auf Marino zu und versuchte, in seinen Augen zu lesen.
» Ich bin gekommen, um an deiner Seite zu sein. Wir gehören doch zusammen.« Atemlos beendete sie ihren Satz und blickte ihn an. Jetzt endlich musste er doch seine Arme nach ihr ausstrecken, sie an seine Brust ziehen, Worte von Liebe und Sehnsucht sprechen und sie trösten!
Marino aber wich um eine Winzigkeit zurück und drehte ihr dabei den Rücken zu. » Ist noch Wein im Haus?«, herrschte er die alte Magd an, die Sarah mit offenem Mund anstarrte. » Bring ihn her. Außerdem Wasser und Gläser, so du noch welche findest.«
Es sollte wohl überlegen klingen, doch in seiner Stimme lag ein Hauch von Panik. Mit beiden Händen fuhr er sich durch die Haare, dann drehte er sich zu Sarah herum. Er wirkte unsicher, was sie nicht von ihm kannte, und zuckte die Achseln. » Hättest du mir nicht zuerst eine Nachricht über deine Absichten zukommen lassen können? Diese Reise hast du jedenfalls vergebens unternommen. Am besten, du fährst auf dem schnellsten Weg wieder zurück.« Bei den letzten Worten straffte er sich und hob den Kopf. Er hatte seine Sicherheit wiedergefunden.
» Warum?«
» Warum was?«
» Warum muss ich wieder weg?« Unverwandt blickte sie ihm ins Gesicht. Seine Stimme hatte eine Saite in ihr zum Klingen gebracht, doch wo war seine stolze Haltung geblieben und wo seine makellose Erscheinung? Nicht einmal seinen berauschenden Duft konnte sie wiederentdecken, dabei hatte sie von dem sogar vor kurzem noch geträumt. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. » Ist es wegen deines Vaters? Wegen der Familie? Deswegen bist du doch so überhastet aufgebrochen.«
» Sei still! Was glaubst du denn, wer du bist?« Seine Stimme klang scharf. » Und mach mir bloß keine Vorwürfe! Schließlich hast du dich mir geradezu an den Hals geworfen, wenn du dich erinnern möchtest. Ich hatte dich gewarnt, du aber wolltest unbedingt …« Diese Worte waren wie eine schallende Ohrfeige.
Sarah zuckte zurück. Was bedeutete das? Sie begann zu zittern. » Aber … Wir lieben uns doch.«
Marino tat, als habe er sie nicht gehört.
» So ist es doch, oder?«
Er seufzte, als könne er ihre Begriffsstutzigkeit nicht fassen. Dann lachte er. » Du glaubst es also tatsächlich? Ach, was rede ich? Wie soll eine wie du das verstehen?«
» Was soll
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