Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
das heißen: eine wie ich?« Sarahs Kampfgeist erwachte. » Du wolltest mich heiraten! Was ist daran kompliziert? Was könnte eine wie ich daran nicht verstehen?«
» Das ist doch …« Verblüfft starrte Marino sie an, dann lachte er erneut auf. » Verstehe ich richtig, du glaubst allen Ernstes, ein venezianischer Adeliger würde dich heiraten?« Seine Worte trieften vor Hochmut.
Die Magd erschien mit einem Tablett, auf dem Gläser und eine Karaffe standen. Marino goss Wein in ein Glas, setzte es an und trank es in einem Zug aus. Gleich darauf füllte er das Glas erneut. Gerade, als er es erneut zum Mund führen wollte, hielt er inne. » Möchtest du auch Wein?«, fragte er Sarah.
Die jedoch winkte ab. Erstaunlicherweise hatte sie ihre Selbstbeherrschung nicht verloren, obwohl ihre Hände und Knie zitterten, je länger sie einander hier im Halbdunkel gegenüberstanden. Gleichzeitig wuchs ihre Empörung. Was fiel ihm ein, sie derart zu kränken? » Eine wie du« – sie hätte ihn schlagen mögen.
Hastig verbarg sie die Hände in ihrem weiten Gewand und hob trotzig ihr Kinn. » Warum beleidigst du mich?«
Marino schlürfte seinen Wein. Dessen säuerlicher Geruch mischte sich mit dem fauligen Hauch von draußen und dem Schimmelgestank des alten Hauses. Sarah schloss die Augen und atmete möglichst flach, um den aufsteigenden Brechreiz zu bekämpfen.
Inzwischen leerte Marino die Karaffe in sein Glas. Sein erster Durst schien jedoch gelöscht zu sein, denn er trank nicht gleich. Stattdessen spazierte er einmal um Sarah herum und betrachtete sie von allen Seiten.
Stocksteif ließ sie die Musterung über sich ergehen. Es war still in der Halle, so still, dass man das Tappen seiner nackten Füße auf den Bodenplatten hören konnte. Ebenso klar waren seine Worte zu vernehmen.
» Erstaunlich, in der Tat, das muss ich wirklich sagen. Allein, dass du schamlos genug bist, hierherzukommen und dich mir aufzudrängen, beweist, was du in Wahrheit bist: eine puttana, eine geborene Hure. Du hast keine Ehre im Leib, überlässt dich deiner Lust und kommst dann mit dieser absolut lächerlichen Idee zu mir.« Marino schüttelte den Kopf. » Das ist dreist. Ja, ich war dein erster Mann, das will ich nicht leugnen. Aber hast du vergessen, dass du es warst, die mich verführt hat, und nicht umgekehrt? Und das ist es, was ich eine geborene Hure nenne. Natürlich leugne ich nichts, weder dass wir unseren Spaß miteinander hatten noch dass du eine begabte Schülerin warst. Wenn du jedoch glaubst, daraus irgendwelche Rechte ableiten zu können, so irrst du.«
Sarah ließ die Worte an sich abprallen. Alles in ihr weigerte sich, ihn zu verstehen.
» Ach ja, und was dein kostbares Geheimrezept für die Färberei angeht«, fuhr er fort und drehte den Stiel des Glases zwischen den Fingern, » auch das konnte meinen Erwartungen nicht gerecht werden.« Er trank seinen Wein.
Sarah wich einen Schritt zurück.
» Such dir ein Hurenhaus, puttana, mit deiner Begabung kannst du dort reich werden.«
Sarah gab Yasmîna ein Zeichen, drehte sich auf dem Absatz um und ging zur Tür. Sie zwang sich, ihren Schritt zu verlangsamen und mit erhobenem Haupt die Halle zu verlassen.
Auf der Schwelle angelangt, wandte sie sich nach rechts und ging ein Stück am Kanal entlang. Bei der nächsten Gelegenheit bog sie in eine enge, stinkende Seitengasse ein, und jetzt gab es für sie kein Halten mehr. Sie rannte, als ob sie über Feuer liefe, als ob Furien hinter ihr her wären, rannte keuchend und wie blind über einen campo, bis sie sicher sein konnte, vom Palazzo Capello aus nicht mehr zu sehen zu sein. Hier endlich konnte sie ihrem Schmerz freien Lauf lassen.
26
» Capello? Selbst damals, als es um das Arsenal ging, kam er glimpflich davon. Aus der Marine entlassen – nun ja. Lass also die Finger davon, du weißt, wie fragil das Gleichgewicht ist.« Die Worte ihres Mannes im Ohr eilte Rebeccca weiter. Eigentlich wusste sie, dass der Rabbi recht hatte, aber gegen ihr Gewissen kam sie nicht an. Ebenso nicht gegen dieses quälende Gefühl, falsch gehandelt zu haben, und nicht gegen diese Vorahnung … » Denk dran, was David erlebt hat«, hatte ihr Mann sie ermahnt. Nein, dachte Rebecca und schüttelte sich, genau daran wollte sie keinesfalls denken!
In diesem Jahr hatten sie die heißen Wochen auf dem Festland in Padua zugebracht, im Haus von Verwandten, und selbst bis dorthin war das Gerücht gedrungen, ein jüdischer Waisenjunge sei Opfer perverser
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