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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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überlegte er laut, » du hast wahrscheinlich recht. Flucht also, er entzieht sich der Vernehmung. Flucht vor dem Gericht aber bedeutet Verbannung. Man wird ihn verstoßen müssen, und das bedeutet, er wird nicht zurückkommen. Niemals. Ob es tatsächlich wegen des Knaben ist? Es heißt, seit einiger Zeit greifen die Behörden immer härter durch.« Mit einem Ruck blieb er stehen. » Ich sage dir, was wir tun müssen: Wir werden die Flucht anzeigen, sonst machen wir uns zu Mittätern. Wenn dich jemand bei deinem nächtlichen Streifzug erkannt hat … Du weißt, wie genau die Behörden bei unsereinem hinschauen, ob wir auch die Gesetze einhalten. Also richte dein Haar, Weib, und nimm eine frische Haube, wir fahren zum Palazzo Ducale. Wo ist mein Rock, den ich zum Shabbat trage, und wo mein gelber Hut? Warum sind meine Sachen eigentlich niemals dort, wo ich sie gleich finden kann? Ach, immerzu gibt es etwas zu regeln, dabei hasse ich es, mich mit den Behörden anzulegen. Die hohen Herren halten sich nicht immer an Recht und Gesetz, wenn es um uns Kinder Abrahams geht, der Ewige sei mein Zeuge. Und nimm endlich diese verdammten Blumen aus dem Zimmer, ihr Gestank ist nicht zum Aushalten!«
    Rebecca überhörte seine Nörgeleien. » Du sollst nicht fluchen, so steht es geschrieben«, rügte sie, abgelenkt durch einen neuen Gedanken. » Glaubst du, dass Capello vielleicht irgendwo anheuert und in See sticht?«
    » Das werden wir kaum verhindern können, und es soll auch nicht unsere Sorge sein. Unsere Pflicht erfordert lediglich, deine Beobachtungen an höchster Stelle vorzutragen. Schlussfolgerungen irgendwelcher Art gehören nicht dazu.«
    » Aber …« » Nichts aber. Jetzt mach dich fertig, je eher wir dort sind, desto besser. Und wenn sie uns fragen, warum du unterwegs warst? Ich hasse Lügen, wie du weißt, aber es dürfte besser sein, wir lassen uns eine Ausrede einfallen. Ein Wort ins richtige Ohr geträufelt, und schon … Die Folgen würden uns alle treffen!« » Niemand hat mich gesehen.« » Streite nicht mit mir, kleide dich lieber an.«
    Rabbi Samuel Sarfatti und seine Frau Rebecca verließen das Judenviertel am Ponte di San Girolamo in einer Gondel. Sie schaukelten den Kanal entlang, bogen in einen Seitenkanal und erreichten schließlich den Canal Grande . In der Regel genoss Rebecca den Trubel auf dieser großen Wasserstraße und die Fahrt entlang der schönen Gebäude zu beiden Seiten, doch heute hatte sie für die prächtigen Palazzi keinen Blick. Im dichten Verkehr in der Nähe des Rialto wollte es ihr plötzlich scheinen, als habe sie Sarah, die junge Frau, derentwillen sie sich die vergangene Nacht um die Ohren geschlagen hatte, unter einem der Brückenpfeiler erkannt. Doch als sie sich von ihrem Platz erhob, um besser sehen zu können, schob sich ein hoch beladener Holzkahn vor die Gondel und nahm ihr die Sicht.
    *
    In den Straßen wimmelte es inzwischen von Menschen, die zu ihrem Arbeitsplatz eilten, Gondolieri, die ihre Boote für den Tag herrichteten, Bäckern und Händlern, die ihre Stände aufbauten, und ihren ersten Kunden. Sarah bemühte sich, mit Filippo Schritt zu halten, der sich wie ein Fisch im Wasser zwischen den Leuten schlängelte. Auf ihrem Weg sah sie zerlumpte, verdreckte Kinder, die Abfallhaufen durchwühlten und sich mit anderen Kindern um alles, das irgendwie essbar erschien, balgten. Ein Mann verkaufte Stiefel aus Sackleinen mit Sohlen, die er aus dem Holz alter Kähne geschnitten hatte. Laut pries er seine Ware an: » Der Winter steht vor der Tür, liebe Leute, kauft Stiefel! Bedenkt die kommende Kälte und sorgt für warme Füße.« Auf einem kleinen campo beobachtete sie, wie ein Straßenjunge eine Frau anrempelte, die gerade Melonen auf ihren Reifegrad prüfte, und ihr mit geschickten Fingern die Börse stahl. Und ihre Augen verfolgten zwei zerlumpte Halbwüchsige, von denen einer den Bäcker ablenkte, während sich der andere mit einem Laib Brot aus dem Staub machte. Die Bestohlenen fuchtelten hinter den kleinen Langfingern her, brüllten » Haltet den Dieb!« und riefen ihnen Verwünschungen nach. Doch die Kinder glitten durch die Menge und waren im nächsten Augenblick im Gewirr der Gassen verschwunden.
    Endlich, nahe des Rialto, blieb Filippo plötzlich stehen. » Dort ist Emmanuele«, sagte er und wies auf einen Jungen mit dünnen, langen Armen und Beinen, der auf einem wackeligen Steg saß und sich mit einem Bootsführer unterhielt. Den Gesten nach zu urteilen bot

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