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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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Venedig, und in ihrer Vorstellung bestanden sie aus geronnenen Tränen.
    » Diese ovalen Perlen mit den Goldstreifen kommen aus Calicut in Indien, diese grünen aus Frankreich, die Perlmuttperlen formt man auf den Molukken aus riesigen Muscheln, und diese mehrfarbigen mit Gold stammen aus Böhmen«, erklärte sie und rückte die geöffneten Säckchen in eine Reihe. » Und die durchsichtigen kommen von hier, von der Insel Murano.« Sie blickte den Anführer der Straßenkinder an.
    Unbeeindruckt und schweigend nahm Emmanuele einige Perlen in die Hand, drehte sie zwischen den Fingern, hielt sie gegen das Licht und klopfte mit ihnen gegen seine Zähne.
    Sarah konnte die Bootsleute auf dem Kanal hören, die Karrenräder auf den Holzplanken der Brücke und die Stimmen der Händler, die ihre Waren anpriesen und sich gegenseitig zu übertönen versuchten.
    » Wozu braucht man denn so was?«, fragte Emmanuele schließlich. Seine Mundwinkel zeigten nach unten. Er wirkte enttäuscht.
    Was hatte er denn erwartet, was sie aus ihrem Beutel hervorzaubern könnte, Gold und Edelsteine? Sarah schob einen Fuß vor, damit der Junge ihre bestickten Sandalen sehen konnte, und wies gleichzeitig auf das Perlenmuster am Ausschnitt ihres Kleides. » Sieh selbst. Perlenstickerei ist eine Kunst.«
    Emmanueles Blicke gingen von den Perlen zu den Verzierungen an ihren Schuhen und an ihrem Gewand. » Mätzchen!«, knurrte er, aber schließlich nickte er doch. Von der Unterseite der Rampe über seinem Kopf entfernte er ein lockeres Brett und entnahm dem Fach, das sich dahinter verbarg, ein schadhaftes grünes Glas, das zur Hälfte mit kleinen Münzen gefüllt war. Er stellte es auf die Kiste zwischen die Perlensäckchen und zog ein mehrfach gefaltetes, schmuddeliges Blatt Papier aus dem Glas.
    » Ein Fünftel«, sagte er und klopfte an das Glas mit den Münzen. » Es wird schwer genug werden, diesen Kram zu verkaufen. Dafür begleite ich dich zu einem jüdischen Pfandleiher.«
    » Was denkst du, wird er mir dafür bezahlen?«
    » Schwer zu sagen. Die Putzmacherinnen und Schneiderinnen werden demnächst mit Aufträgen überhäuft, da im Winter die meisten Feste stattfinden und sie jede Menge neue Roben schneidern müssen. Vielleicht können sie deine Perlen gebrauchen? Aber keine Sorge, der alte Jacopo wird dich nicht betrügen, schon gar nicht, wenn ich dich zu ihm bringe. Was ist sonst noch in dem Beutel?«
    » Nichts, nur noch mehr Perlen, aber ich werde nicht … Alle kann ich sie nicht verkaufen.«
    » Beleihe sie, gib sie als Pfand, dann kannst du sie innerhalb von drei Monaten zurückkaufen. Falls du in dieser Zeit zu Geld kommst, natürlich nur. Denn wie es aussieht, wirst du schon bald mehr als ein paar soldi brauchen.« Damit deutete Emmanuele auf ihren Bauch.
    Sarah errötete. Er hatte ein scharfes Auge, dabei war ihr Leib unter dem weiten Gewand bisher nur wenig gerundet. » Also gut, ein Fünftel, einverstanden. Wie geht es nun weiter? Und was unternehmen wir wegen Yasmîna?« Sorgfältig räumte sie die Perlensäckchen in den Lederbeutel zurück.
    » Zuerst machen wir unseren Kontrakt.« Emmanuele entfaltete das Papier, strich es glatt und nahm einen dünnen Kohlestift zur Hand. » Hierhin schreibst du deinen Namen und dort, was du verkaufen oder beleihen willst. Dahinter setzen wir unsere Zeichen. Diese Yasmîna, ist das deine Freundin?«
    Sarah nickte.
    » Ich schicke Marco und Giuseppe zur Ca’ Bertani, die werden sich nach ihr umsehen. Für dich kostenlos.« Er winkte zwei dürren Knaben mit verfilzten Haaren, die neben einem Abfallhaufen kauerten und ihn nicht aus dem Blick ließen. Einer von ihnen hatte eine eitrige Wunde am Bein, die die Fliegen anzog, der andere entzündete Augen. Während Emmanuele ihnen den Auftrag erklärte, griff er in sein Hemd, zog ein Stück Brot und ein paar schrumpelige Möhren hervor, die er den Jungen gab, bevor er sie mit einer Handbewegung losschickte. Beim Anblick des Essens lief Sarah das Wasser im Mund zusammen. Sie war hungrig wie noch nie.
    Rasch wandte sie sich wieder dem Blatt zu und schrieb weiter, bevor sie unterzeichnete. Emmanuele ließ sich das Geschriebene vorlesen und setzte sein Kreuz dazu. Er faltete und verwahrte das Papier, dann deutete er auf das grüne Glas. » Denke nicht, das Geld sei allein für mich. Es nährt und wärmt viele, besonders in der schlechten Jahreszeit. Wir halten zusammen, und wir teilen.« Mit diesen Worten räumte er alles zurück in das Fach über seinem

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