Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Emmanuele ihm gerade an, sein altes, verschrammtes Boot neu anzustreichen, ein Vorschlag, den der Bootsführer jedoch gelangweilt ablehnte.
Emmanuele war kein Kind mehr, das erkannte man an seinen harten Zügen, als er sich jetzt zu Filippo umdrehte und die Hand hob, um ihn zu begrüßen. Sein Bart jedoch war noch flaumig und löchrig, nicht borstig und dicht. Sein Blick fiel auf Sarah, und er hob das Kinn. » Wer ist das?«
» Das ist Sarah, sie ist in Ordnung«, entgegnete Filippo. » Sie hat Probleme.«
Emmanuele nickte. Wer hatte keine Probleme? » Ausländerin, nicht wahr? Das sieht man. Ist sie eine Hure?«, erkundigte er sich.
Sarah schoss das Blut in den Kopf. » Was fällt dir ein? Wage es ja nicht noch einmal, mich so zu beleidigen, du, du … ungehobelter Kerl!«
Augenblicklich sah sich Sarah von mehreren Jungen umringt, die nur auf ein Zeichen von Emmanuele zu warten schienen, um über sie herzufallen.
Er selbst lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen an einer Mauer und verzog seinen Mund. » Oh, ich erzittere! Und falls ich es doch wage?«
» Nein, bitte, Emmanuele, nicht.« Filippo machte ein unglückliches Gesicht. Der Kleine baute sich vor dem Größeren auf und sprudelte in einem Atemzug hervor, was er wusste: » Es ist alles ganz anders. Monna Giulia und Bernardo haben ihre Freundin entführt, und sie sucht sie, und außerdem muss sie ein paar Sachen verkaufen, weil sie eine Wohnung braucht. Bei mir unter der Treppe geht es nicht, und da dachte ich, du könntest vielleicht …« Seine Luft war zu Ende, und seine Stimme versiegte. Doch bevor er mit neuem Atem weiterreden und sich noch mehr aufregen konnte, legte Emmanuele die Hand auf Filippos Schulter.
» Ist schon recht, Kleiner, ich verstehe«, sagte er und trat auf Sarah zu. Er deutete eine Verbeugung an. » Wenn das so ist? Guten Morgen, Signorina Sarah. Für eine geschäftliche Unterredung sollten wir vielleicht besser in mein Kontor gehen.«
Emmanueles Kleidung – ein verwaschenes Hemd zu einer geschnürten Hose – war einfach und abgetragen, aber sauber. Seine Ohren standen wie Segel vom Kopf ab. Sie traten umso deutlicher hervor, als ihm ein ungeschickter Mensch offenbar kürzlich die Haare geschnitten hatte. Allerdings wirkte die Frisur eher so, als wären hungrige Ratten über seinen Kopf hergefallen.
Sein sogenanntes Kontor befand sich an der hölzernen Rampe zur Rialtobrücke, die sich mit ihren Läden über den Kanal schwang, und verfügte über eine Einrichtung aus Fischkisten und staubigen Säcken. Emmanuele putzte eine der Steinstufen ab, drehte drei der Kisten um, bot ihr eine davon als Sitzgelegenheit an und nahm selbst auf der anderen Platz. Die Kiste zwischen ihnen diente als Tisch.
» Also, was hast du zu beleihen oder zu verkaufen?« Er deutete auf ihren Lederbeutel. » Zeig her, dann kann ich dir sagen, zu welchem Pfandleiher du am besten gehst. Für die Vermittlung berechne ich nur eine kleine commissione von, sagen wir, einem Fünftel?«
» Ein Zehntel, höchstens!«
» Wir werden sehen.« Mit dem Kinn deutete er auf ihren alten Beutel, der mit seinen fremdartigen Bemalungen und Stickereien geheimnisvoll und vielversprechend aussah.
Sarah zögerte. Seit längerem hatte sie ihre Perlen nicht betrachtet. Sie stellten die letzte Verbindung zu ihrem früheren Leben dar und damit zu allem, was sie bisher als selbstverständlich angesehen hatte.
Sie schluckte gegen den Kloß an, der in ihrem Halse steckte, und es gelang ihr, die Fassung zu bewahren. Die Selbstüberschätzung, mit der sie sich in diese Lage gebracht hatte, forderte nun ihren Preis. Schließlich hatte sie es sich selbst zuzuschreiben, ihrem Trotz, ihrem Stolz und nicht zuletzt ihren Lügereien, wenn sie jetzt die Hilfe von Straßenkindern und Geldverleihern brauchte.
Sie öffnete den Beutel und nahm vier kleine Säckchen aus fester Baumwolle heraus, denen beim Öffnen flüchtige Düfte entströmten. Das erste enthielt dunkelgrüne mandelförmige Glasperlen, ein weiteres perlmutterne Kugeln, das dritte war mit transparenten Stäbchen in zartem Blau gefüllt und das vierte mit mehrfarbigen ovalen Perlen, deren Goldeinschlüsse selbst im Dämmerlicht unter der Brücke schimmerten. Nach kurzem Zögern holte sie sogar die durchsichtigen Glasperlen hervor, die mit den feinsten graublauen Fäden in ihrem Inneren. Wie die meisten anderen hatte sie auch diese einst von ihrem Vater geschenkt bekommen. Sie stammten aus einer Glasbläserei hier in
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