Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
aber waren ihm Wunden geschlagen worden, die sicher niemals vernarben würden. Sie gab sich einen Ruck.
» Ich komme von weit her und bin ihm nachgereist, diesem Mann, dem ich vertraute. Es zeigte sich aber, dass er dieses Vertrauens nicht würdig war. Nach der Begegnung mit ihm sind wir, Yasmîna und ich, stundenlang herumgelaufen, und später hat man uns überfallen. Das war Bernardo vor dem Haus der dicken Frau, Monna Giulia. Er war auf unsere Bündel aus, doch zum Glück konnte ich ihn niederschlagen. Als jedoch weitere Männer hinzukamen, musste ich fliehen. Seitdem ist Yasmîna verschwunden. Ich glaube, Bernardo hat sie sich geschnappt.«
Sarah brach ab. Ihr Magen schmerzte, als habe das Stück Brot ihren Hunger erst geweckt. » Früher«, fuhr sie leise fort, » hatte ich viele Freundinnen, liebevolle Eltern und ein großes Haus, jetzt aber gibt es nur noch Yasmîna. Ich muss sie finden. Dieser alte Lederbeutel hier ist alles, was mir geblieben ist.« Sie zog ihren Perlenbeutel heran. Darüber hinaus besaß sie noch ein paar Goldmünzen, eingenäht in den Saum ihres Kleides, doch davon verriet sie lieber nichts. Viel war es sowieso nicht. » Ich glaube , w eil ich allein bin und Angst habe, deshalb musste ich weinen.«
Filippo sah sie nur an. Geschichten über das Scheitern waren ihm vertrauter als solche, die von Erfolg erzählten. Dann deutete er auf ihre Füße. » Du hast Schuhe und ein Kleid ohne Flicken. Du könntest dich um eine Stellung im Haushalt bewerben, putzen, waschen, so was. Und was ist drin in dem Beutel? Kann man es verkaufen? Vielleicht kannst du davon die Miete für ein Zimmer bezahlen?«
Sarah schaute auf ihre Sandalen, dann blickte sie den Jungen mit großen Augen an. » Das ist eine gute Idee.«
Dieser errötete und wandte sich verlegen ab. » Komm, wir gehen zu Emmanuele. Der weiß alles und kennt jeden, er kann dir sicher helfen.«
» Und Yasmîna?«
» Erst Emmanuele, dann sehen wir weiter.«
*
» Capello hat ein Boot zum Festland genommen, wenn ich es dir doch sage! Mit meinen eigenen Augen habe ich es gesehen.«
» Und er hatte einen Seesack bei sich?«
» Auch das habe ich dir schon gesagt, hörst du mir denn nicht zu? Und dieser Sack war voll bis obenhin. Zuerst dachte ich ja, er hätte dieses junge Mädchen, von dem ich dir erzählte, irgendwo versteckt und wäre auf dem Weg, ihm Sachen zu bringen, aber jetzt bin ich sicher, er hat sich sein eigenes Zeug geschnappt und ist geflohen. Er wird wieder mal ungeschoren davonkommen, das steht fest. Du glaubst doch nicht ernsthaft, der Rat macht sich die Mühe und sucht auf dem Festland einen aus Loredans Kreisen als Zeugen für dessen finstere Machenschaften? Noch dazu, wenn es sich um einen nobile handelt, dessen Name im Goldenen Buch verzeichnet steht? Ich bezweifle sowieso, dass diesem Loredan überhaupt je der Prozess gemacht wird!«
Rebecca schnaubte. Aufgelöst und mit wirren Haaren stand sie vor ihrem Mann und berichtete, was sie in der vergangenen Nacht erlebt und gesehen hatte. » Das Mädchen habe ich nicht gefunden, aber ihn. Und ich weiß, was ich gesehen habe! Es würde mich nicht überraschen, wenn er unter der Hand vom Zehnerrat sogar aufgefordert worden wäre, sich abzusetzen. Gar nicht wundern würde mich das. Schließlich war das Opfer ja nur ein Nachkömmling der Leugner Christi, das Balg von Wucherern und Spionen, ein Judenkind.« Rebecca hatte sich in Rage geredet, ihr Gesicht war fleckig geworden vor Zorn und ihre Stimme schrill.
Sprachlos über diesen ungewohnten Ausbruch sah der Rabbi seine Frau an. Sie war eine lebhafte Frau, ganz ohne Zweifel, aber normalerweise bemühte sie sich um ein würdiges Auftreten, wie es der Ehefrau eines jüdischen Schriftgelehrten geziemte. In diesem Fall jedoch, wo es um den grausamen Tod eines Kindes aus dem Ghetto ging, empfand sie die Ungerechtigkeiten, unter denen sein Volk zu leben gezwungen war, als besonders unerträglich. Und jetzt brachte ihr Gewissen sie auch noch um die Nachtruhe, weil sie anstatt zu schlafen eine angeblich gefährdete junge Frau gesucht hatte.
Er legte ihr begütigend den Arm um die Schultern. » Mäßige dich, Weib. Der Ewige, gelobt sei er, wird uns beschützen.«
Rebecca beruhigte sich allmählich. Mit ihrem Mann zu sprechen und ihre Überlegungen mit ihm zu teilen tat ihr gut.
Der Rabbi wanderte in der niedrigen Stube auf und ab und klopfte bei jedem Schritt mit dem Fingerknöchel auf die Tischplatte. » Ja, ja, und nochmals ja«,
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