Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Brunnen, oder eine Katze schlich an den Hauswänden entlang, im Übrigen blieb es ruhig.
Die Sonne kämpfte sich bereits durch den Nebel, doch es würde noch lange dauern, bis sie über ihn gesiegt haben würde. Ihr fahles Licht wirkte müde, es fehlte ihm die Kraft des Sommers. Sarah fröstelte. Dennoch fühlte sie sich überraschend wohl in diesem Winkel unter der Treppe. Wenn nur der Hunger nicht wäre. Beim Anblick des Jungen, der in seinen Käse biss, lief ihr das Wasser im Munde zusammen.
Filippo antwortete erst, als er auch noch das letzte Krümelchen von der Käserinde abgenagt hatte. » Bernardo? Meinst du den, der Ca’ Bertani bewacht, Monna Giulias Hurenhaus?«
» Wahrscheinlich. Kennst du ihn gut?«
Filippo zuckte mit den Achseln. Er sah ihr nicht in die Augen, vielmehr glitten seine Blicke stets rasch über sie hinweg, dennoch spürte Sarah, dass er versuchte, sie einzuschätzen. Gleichzeitig ließ er seine Umgebung nicht aus den Augen, als drohe ihm Gefahr von allen Seiten, sobald er nicht auf der Hut war.
Das fein geschnittene, schmutzige Gesicht und die verfilzten Haare könnten auch zu einem Mädchen passen, einzig seine ausgefransten Hosenbeine und der Überwurf, den er sich anscheinend aus einem Sack zurechtgeschnitten hatte und anstelle eines Hemdes trug, deuteten darauf hin, dass er ein Junge war. Vorhin hatte Sarah ein Messer bemerkt, das er nachts griffbereit neben sich legte und beim Aufstehen sorgfältig wieder an dem Strick befestigte, der ihm als Gürtel diente. In gewisser Weise ähnelte er der räudigen Katze, die direkt über ihnen auf der Treppe wohnte und ebenfalls bereit schien, ihr Revier zu verteidigen.
An dem Kanten Brot, den Filippo nun aus seiner Hosentasche zog, hatten sich offenkundig bereits die Ratten bedient. Doch das machte ihm nichts aus, er vergewisserte sich lediglich, ob nicht irgendwelche Maden darin siedelten. Mit Mühe brach er es sodann entzwei, verglich die beiden Teile, überlegte, und reichte Sarah schließlich das größere Stück. » Danach müssen wir aber verschwinden, die Leute mögen es nicht, wenn ich mich tagsüber hier aufhalte. Willst du zu Monna Giulia?«
Sarah griff hastig zu. Sie kaute an dem trockenen Brot und stellte fest, hatte man es erst einmal eingespeichelt und weich gekaut, schmeckte es recht gut. » Hm, ich muss wissen, wo Yasmîna geblieben ist. Wir wurden gestern Nacht überfallen, und eine Frau rief den Angreifer mit dem Namen Bernardo. Das wird wohl diese Monna Giulia gewesen sein, oder? Ich sah sie nur ganz kurz, aber ich glaube, sie war recht dick. Sicher bin ich natürlich nicht, aber was, wenn sie Yasmîna im Haus gefangen hält?«
Filippo erhob sich, putzte seine Hände am Hosenboden ab und zog einen angeschlagenen Krug unter dem Stapel verwitterter Bretter hervor. » Durst?«, fragte er und wies auf den Brunnen des Platzes.
Wieder nickte Sarah. Abwechselnd leerten sie den Krug. Unter den Strähnen, die Filippo in die Stirn fielen, beobachtete er Sarah. » Ist deine Mutter auch gestorben?«, fragte er plötzlich.
» Nein!« Erschrocken schüttelte Sarah den Kopf. » Nein. Wie kommst du darauf?«
» Du hast letzte Nacht geweint, als sei … Na, du weißt schon. Aber wenn es nicht wegen deiner Mutter war, warum musstest du denn dann so weinen?«
» Deine Mutter lebt wohl nicht mehr?«, fragte Sarah behutsam. » Das tut mir leid. Nein, ich hoffe, dass meine Mutter gesund ist, aber sie lebt weit entfernt von hier. Das ist es nicht.«
Filippo wartete darauf, dass sie weitersprach und von sich erzählte. Sarah zögerte. Aber warum sollte sie ihr Scheitern vor diesem Jungen verheimlichen? Er kam mit seinem kümmerlichen Leben auf der Straße anscheinend zurecht, während sie weder aus noch ein wusste.
» Ich habe aus anderen Gründen geweint«, seufzte sie schließlich. » Weil ich so furchtbar viele Fehler gemacht habe. Ich habe einem Mann vertraut, der … Er hat mich getäuscht.« Inzwischen kam es ihr beinahe vor, als habe nicht sie diese Liebe erlebt, diese rückhaltlose Leidenschaft und dieses Feuer, sondern eine andere. Das war natürlich nicht richtig, korrigierte sie sich, schließlich konnte sie sich nur zu gut erinnern, wie es sich angefühlt hatte, in seinen Armen zu liegen, doch es waren eben nur Erinnerungen. Erneut seufzte sie. Bis sie Marino kennengelernt hatte, kannte sie keine Sorgen, und bis zum gestrigen Tag war ihr Herz weder durch Enttäuschungen noch Verletzungen zum Weinen gebracht worden. Gestern
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