Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
trittsicher wie ein Zicklein dahergesprungen kommst?«, neckte er sie.
» Woher willst denn ausgerechnet du Seemann das beurteilen können, Signore Capitano?«, konterte sie vergnügt. » Falls du das tatsächlich glaubst, so fang es doch, das Zicklein.« Sie wirbelte herum und lief davon, versteckte sich aber schon nach wenigen Schritten hinter einem Granatapfelbusch.
» Oh nein, carissima, nicht bei der Hitze.« Marino tat, als müsse er sich Schweiß von der Stirn wischen. » Komm lieber zu mir, meine Arme fühlen sich sonst nutzlos an. Sieh doch, wie leer sie sind.«
» Und was sollen meine Hände sagen?«, ging Sarah auf das Spiel ein. Sie trat hinter dem Busch hervor und hielt Marino die nackten Handflächen entgegen. » Sieh her: nichts!« Nur einen Atemzug später lagen sie sich in den Armen.
Zuerst tauschten sie viele zärtliche kleine Küsse, lachten, wenn ihre Nasen aneinanderstießen, und Marino streichelte Sarahs zu ihm erhobenes Gesicht. Wenige Augenblicke später sanken sie auf ein Graspolster nieder, und ihre Finger nestelten an den Kleidern des anderen. Sie keuchten. Sarah spürte sein Herz an ihren Rippen. Es fühlte sich an, als hätte sie plötzlich zwei Herzen in ihrer Brust. Das wunderte sie nicht. Marino gehörte zu ihr, so wie sie zu ihm gehörte. Jetzt und für immer.
» Weißt du eigentlich, carissima, was für ein Tag heute ist?«, fragte Marino später.
Sarah schüttelte den Kopf.
» Ah, Madonna, du enttäuschst mich.« Seine Hände legten sich um ihr Gesicht. » Überlege, was ist heute vor vier Wochen geschehen?«
Sarah schaute ratlos und zuckte die Schultern.
» Du hast es vergessen, du Grausame! Vor genau vier Wochen sind wir uns zum ersten Mal begegnet. Weißt du wenigstens noch, wie dir im Hafen deine Perlen heruntergefallen sind? Und später, im Turm? Sag nicht, du hättest auch das vergessen!«
» Wie könnte ich? Ich erinnere mich an jedes Wort, das du damals zu mir sagtest.«
» So geht es dir wie mir.« Marino küsste ihre Hand.
Sie saßen nebeneinander im Schatten der Palmen am Rand der Zisterne, von der aus die Felder und Gärten der Oase bewässert wurden. Sarah, an Marinos Schulter gelehnt, genoss den kaum wahrnehmbaren Duft, der vom Wasser zu ihren Füßen aufstieg.
» Vier Wochen erst … Erstaunlich, nicht wahr? Mir kommt es vor, als würde ich dich eine Ewigkeit kennen. Dabei fällt mir ein, ich benötige deinen Rat, cara, meine Inseln betreffend. Ich sagte ja schon, ich möchte es dort vielleicht ebenfalls mit der Purpurfärberei versuchen.«
Zärtlich rieb Sarah ihre Wange an seinem Hemd. Vermutlich gaben sie bereits jetzt das harmonische Bild des Ehepaares ab, das sie bald sein würden, lächelte sie. Das Leben an Marinos Seite würde wundervoll werden, ein nicht endendes Fest der Liebe. Manchmal allerdings dauerte es ihr zu lange bis dahin. Dann fragte sie sich, wann Marino denn nun endlich auf ihre Heirat zu sprechen kommen würde und ob sie nicht bereits jetzt, also bevor ihr Vater nach Hause kam, mit ihrer Mutter reden sollte. Aber was, falls sie ihr nicht gewachsen war? Ihre gelegentlichen spitzen Bemerkungen über Marino, sein goldglänzendes Schiff oder die eitlen Venezianer im Allgemeinen verhießen nichts Gutes. Außerdem wollte sie ihre Liebe nicht zerpflückt und zerredet haben, und das würde unweigerlich geschehen. Obwohl es ihr schwerfiel, würde sie sich also gedulden. Dabei machten ihr die ständigen Täuschungen schon jetzt zu schaffen, sie trübten alles Schöne ein. Allerdings drängten sich diese oder ähnliche Fragen nur dann in den Vordergrund, wenn sie allein war, an Marinos Seite verloren sie jede Bedeutung. Sie würden zusammenleben, unter dem Dach seines ehrwürdigen Palazzo, und sich in einem prunkvollen Bett zwischen seidenen Laken lieben. In einer gondola würden sie sich durch die Kanäle rudern lassen, Freunde treffen, Feste und Gastmähler geben und Bälle besuchen, auch Maskenbälle, auf denen besonders ausgelassen getanzt wurde. Marino hatte so begeistert davon und von anderen Lustbarkeiten seiner Stadt erzählt, dass sie es kaum erwarten konnte, Venedigs Herrlichkeiten zu sehen.
» Was meinst du dazu?«
Sarah musste sich erst besinnen, doch anscheinend lag Marino viel an ihrer Antwort. » Wozu? Zu Purpur? Das ist ganz einfach«, antwortete sie endlich. » Du benötigst Salz und Urin und Schnecken in Hülle und Fülle, aber dann, warum nicht?«
Marino schien irgendwie nicht recht zufrieden mit ihrer Antwort zu sein,
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