Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
aufgerissenen Augen rückte sie näher an Sarahs Seite. Sarah nahm ihre Hand und lächelte ihr aufmunternd zu. Sie lauschte. Hier herunter drang kein Laut.
Was ging dort oben vor? Osmanen, die gegen einen Sultan kämpften? Und was, wenn es sich um etwas ganz anderes handelte? Wenn zum Beispiel ihr Vater ihre Spur aufgenommen hatte und sie verfolgte? Vielleicht hatte jemand ihren nächtlichen Aufbruch bemerkt und den Vater über die Richtung informiert? Vielleicht hätten sie doch erst nach Norden reiten sollen, um ihn in die Irre zu führen?
13
» He, Mausgesicht, eins sag ich dir: Wehe, du führst uns in die Irre! Wie weit sind sie vor uns? Wann holen wir sie ein?«
Ein magerer Nomadenjunge rutschte eilig von seinem Maultier und untersuchte die Abdrücke auf dem lockeren Sandboden vor ihnen.
» Was für ein Einfaltspinsel, dieser Vater!« Der Anführer der osmanischen Soldaten, ein Bulle von einem Mann, drehte sich auf seinem Pferd zu den anderen um und grinste hämisch. » Ihr werdet sehen, dieser Tölpel von Kapitän reißt sich irgendwann eigenhändig seine Zunge heraus. Während er die Küste absucht, sollen ausgerechnet wir im Lande Ausschau nach seinem entlaufenen Töchterchen halten? Und das für lumpige zwei Goldstücke? Pah! Er wird den Tag verfluchen, an dem er zufällig auf uns getroffen ist. Besser, er hätte es sich zweimal überlegt, bevor er uns um Hilfe bittet! Weiß er denn nicht, wie viel uns seine Sarah auf dem Markt einbringen wird? Und glaubt dieser Hund von einem Ungläubigen etwa, mich, Mustapha von Smyrna, mit einem Hungerlohn abspeisen zu können?« Er ließ seine Peitsche schnalzen.
Saïd lauschte angestrengt. Die fünf Männer trugen die osmanischen Turbane der Janitscharen, waren sonst aber unauffällig gekleidet. Einzig die locker gegürteten blanken Säbel, die Arkebusen sowie die leichten Schilde an den Flanken ihrer Pferde gaben einen Hinweis auf eine militärische Mission.
» Ich sage euch, wir werden uns alle die Taschen füllen können, und es wird immer noch genug für Sultan Ahmad übrig bleiben. Diese neuen Büchsen, mit denen er uns für den Kampf gegen den Süden ausstatten will, sind wahre Wunderwaffen und ihren Preis wert. Er soll nur ausreichend davon kaufen, und säckeweise Bleikugeln dazu, was, Männer? Den Rest kann er dann getrost uns überlassen, wir werden die Büchsen schon zu nutzen wissen. Also, was ist nun, Mausgesicht?«
Er wandte sich wieder dem Spurensucher zu.
Aus seinem Versteck konnte ihn Saïd gut beobachten. Der Junge sah anders aus als die Reiter, in deren Diensten er stand. Sein schmales Gesicht mit der spitzen Nase und den weit aufgerissenen schwarzen Augen hatte tatsächlich etwas Mausähnliches, während die fünf Männer mit ihren dichten, schwarzen Augenbrauen und Schnurrbärten fremdländisch und grob wirkten. Sie waren breitschultrig mit muskulösen Schenkeln, und ihre mächtigen Pranken hielten die unruhig tänzelnden Pferde mühelos im Zaum.
So war das also, dachte Saïd. Ich habe mein Haus verlassen, hatte Sarah gesagt, kein weiteres Wort, kein Warum und kein Wie, und hier nun hörte er, dass sie gesucht wurde. Offenbar entstammte sie einem christlichen oder jüdischen Haus und befand sich auf der Flucht. Aber warum hatte ihr Vater ausgerechnet osmanische Söldner beauftragt, seine Tochter einzufangen? Entweder hatte der Mann keinen Verstand, oder es war ihm gleich, was mit der jungen Frau geschah, wenn diese Männer sie fanden. Vielleicht floh sie ja gerade vor ihm, dem Vater? Hatte der Osmane nicht gesagt, er sei ein Kapitän? Doch davon abgesehen, was hatten diese Männer hier, so weit im Süden, überhaupt verloren? Saïd und Abdallah duckten sich hinter einem der Gesteinsbrocken, die von den oberen Hängen herabgestürzt waren, und beobachteten den Reitertrupp.
Der Junge folgte zunächst den Abdrücken im Sand, die Augen fest auf die von der Karawane hinterlassenen Spuren gerichtet. Nervös kaute er dabei auf seinen Lippen. Schließlich raffte er seine zerschlissene djellabah und ging in die Hocke, um die Fährte aus einem anderen Winkel zu betrachten. Doch so gründlich er auch schaute, von den beiden Berbern, die dicht neben ihm in Deckung lagen, bekam er nichts mit.
» Sag schon, was siehst du? Denk an meine Peitsche!« Mustapha aus Smyrna griff an seinen Gürtel.
» Nicht schlagen, Sîdi, nicht schlagen!« Der Junge schützte seinen Kopf mit den Händen. » Sie sind ganz nah«, flüsterte er. » Vielleicht sehen wir sie
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