Purpurdämmern (German Edition)
sich das anfühlte.
Coinneach sah verloren aus, wie er im Gras stand. Für eine Sekunde stolperte Kens Herzschlag, weil er fürchtete, dass der Fayeí zurückgerutscht war in seine geistige Umnachtung. Doch als die scharfen, amethystfarbenen Augen sich auf ihn richteten, erkannte er, dass seine Sorge unbegründet war.
»Sie ist hier«, sagte Coinneach. »Ich will sie sehen.«
»Wow. Moment.« Ken hob die Hände. »Lass uns das ruhig angehen, okay? Vielleicht kannst du kurz hier warten, und ich checke mal die Lage zu Hause?«
Denn wenn der Fayeí einfach zur Tür reinspazierte und ›Hallo Claire, Liebling!‹ rief, und Dad ihn im Suff an der Tür abfing, dann würde es Tote geben. Garantiert.
»Du sagst die Wahrheit.« Coinneachs Blick verengte sich, als sähe er Ken zum ersten Mal. In seiner Stimme schwang Erstaunen mit. »Du bist Claires Sohn.«
»Und deiner«, murmelte Ken.
»Ich muss sie sehen.«
»Jetzt warte kurz.«
Er ließ den Katzenkorb und das Buch ins Gras fallen und presste sich die Fingerspitzen gegen die Schläfen. Das wuchs ihm gerade alles über den Kopf. Er hatte das Gefühl, auf einem Zug zu sitzen, der immer schneller beschleunigte. Da war Marielle, mit der er unbedingt noch reden musste, bevor sie in ihre Feenstadt verschwand. Doch wie sollte er das anstellen, wenn alle anderen um sie herumstanden? Einschließlich der blöden Katze, die sich nie ihre Sticheleien verkneifen konnte.
Gleichzeitig musste er Coinneach davon abhalten, ins Haus seiner Eltern zu stürmen und den dritten Weltkrieg auszulösen.
Santino, der gerade aus den Büschen auftauchte, wollte er fragen, wann er seine Sachen packen und zu ihm nach Tír na Mórí ziehen sollte. Und noch wichtiger, wie sie miteinander im Kontakt bleiben konnten. Ob der Magier etwas mit seiner E-Mail-Adresse anfangen konnte, oder mit seiner Handy-Nummer? Die von dem Handy, das er zusammen mit dem Rest seiner Sachen beim Kampf gegen die Spaltbestien verloren hatte, höhnte seine innere Stimme. Verflucht noch mal. Sein Schlüsselbund war ebenfalls in der Tasche des Sweatshirts gewesen, und die Brieftasche. Ihm wurde ganz anders beim Gedanken an die Rennerei, die ihm bevorstand, um alle Papiere neu zu beschaffen.
»Wir sind im Kern«, stellte der Magier fest.
»Bei mir zu Hause«, bestätigte Ken.
»In der Nähe des Depots?«
»Das ist gleich da drüben.« Ken wedelte mit der Hand in die Richtung. »Ein Katzensprung.«
Nessa zuckte mit den Ohren.
Die Sirene heulte wieder auf, und dieses Mal war er sich sicher, dass die Cops nicht auf der Michigan Avenue standen, sondern direkt auf der Dalzelle Street. Das machte ihm noch ein anderes Problem bewusst.
So wie sie aussahen, blutverschmiert und abgerissen und bis an die Zähne bewaffnet, konnten sie unmöglich einen Fuß auf die Straße setzen, ohne von der Polizei angehalten zu werden. Er bezweifelte jedenfalls, dass Santino eine Registrierung für seine goldverzierte Kanone besaß. Und ob es legal war, anderthalb Meter lange, rasiermesserscharf geschliffene Schwerter in der Öffentlichkeit mit sich herumzuschleppen, war auch so eine Frage. Vor allem wenn von den Klingen noch das Blut tropfte. Tja, und wenn die Cops nach ihren Ausweisen fragten, was sollte er dann sagen? Dass die Spaltbestie in der Parallelwelt seinen gefressen hatte?
»Okay«, sagte er, »wenn wir jetzt alle da rausmarschieren, verhaften uns die Bullen, und dann verbringen wir die Nacht im Gefängnis und müssen uns wegen unerlaubten Waffenbesitzes rechtfertigen. Ich schlage vor, ihr wartet hier und ich sehe mal nach, ob die Luft bei mir zu Hause rein ist. Dann können wir bei meiner Mom was essen, und bevor ihr rübergeht zum Depot, könnt ihr euch waschen, damit ihr nicht mehr ausseht wie irre Serienkiller.«
Marielle zuckte mit den Schultern. »Okay.«
Coinneach sah aus, als würde er jeden Moment zusammenklappen. Er brauchte einen Arzt. Oder wenigstens ein Bett und ein paar Stunden Ruhe.
Santino setzte sein schiefes Grinsen auf. »Warum nicht. Lass dir nur nicht zu viel Zeit.«
Die Purpurkätzchen tobten in ihrem Korb herum und brachten ihn zum Schwanken. Ken wandte sich zum Gehen.
Er hoffte sehnsüchtig, dass der Säufer bei einem seiner Kumpane abhing und nicht zu Hause war. Denn wenn Randall O’Neill vor der Glotze saß, musste er sich was einfallen lassen. Er konnte ihm ja schlecht eine Bierflasche über den Schädel ziehen und ihn bewusstlos schlagen. Oder doch?
Innerlich seufzend schob er die Büsche
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