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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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starrten Marielle an. Zwei der Männer waren Licht-Fayeí, der dritte ein hochgewachsener Nebel-Fayeí mit perlmuttfarbenem Haar und Purpurpelz am Kragen seiner Jacke. Ratsherr Ceallacháin, dessen Gattin sich ein Stockwerk tiefer bewundern ließ.
    »Es ist wichtig«, wiederholte sie. Sie konnte kaum das Zittern in ihrer Stimme unterdrücken. »Es geht um Leben und Tod.«
    »Lasst uns allein«, murmelte der König, mit einem Blick zu den drei Männern. »Wir reden später weiter.«
    »Hoheit –«, setzte der Ratsherr an.
    »Später.«
    Der Nebel-Fayeí nickte, die Lippen zum Strich gepresst.
    Gedämpft raschelten ihre Schritte, Ledersohlen auf Alabaster, während sie zur Tür strebten. Ihre Mienen, beherrscht und hölzern, verrieten nicht, was sie dachten. Nur Ceallacháins Blick, der jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Wie eine Spinne musterte er sie, die ihre Beute taxiert.
    Der schwere Flügel fiel hinter ihnen ins Schloss. Die Wände warfen den Knall zurück. Marielle fühlte sich sehr klein.
    »Es ist nicht so, wie du denkst«, brachte sie hervor.
    »Was ist nicht so, wie ich denke?« Reglos blieb Eoghan hinter dem Tisch stehen, der mit Papieren und Büchern bedeckt war. »Dass du davongelaufen bist wie ein trotziges Kind, und dass Maebhs Bluthund mir eine horrende Wiedergutmachung abzutrotzen versucht, für den Ehrverlust? Dass der Rat mich fragt, wie ich ein Volk anführen will, wenn ich nicht imstande bin, mein eigenes Kind zu bändigen? Dass Ceallacháin, der intrigante Bastard, die Ahnentafeln konsultiert, um zu prüfen, wer zur Vormundschaft berechtigt ist, sollte der Thron vorzeitig verwaisen?«
    »Vormundschaft?« Sie quietschte beinahe. »Für mich?«
    »Oder gibt es sonst noch etwas, das nicht so ist, wie ich denke?«
    Sie fühlte sich gedemütigt bis auf die Knochen, zur Schau gestellt in all ihrer kindischen, selbstsüchtigen Naivität. Was hatte sie sich denn eingebildet, was passieren würde, wenn sie zur Verlobungszeremonie nicht auftauchte und auch zwei Tage später noch unauffindbar blieb? Dass man besorgt nach ihr suchen und das Ritual vertagen würde, bis Ihre gnädige Hoheit, die Prinzessin, geruhte, doch noch zu erscheinen? Dachte sie, man würde ihr die Seidenteppiche ausrollen, und dann betroffen zur Kenntnis nehmen, dass sie den Prinzen nicht heiraten konnte, weil sie sich einem anderen anverlobt hatte?
    Dass ihre Eskapade als tödliche Beleidigung aufgefasst werden könnte, in einer ohnehin angespannten Beziehung zwischen den Nebelstädten, darüber hatte sie nicht nachgedacht. Und Nessas Bedenken hatte sie beiseitegefegt, sie für Übertreibung gehalten.
    »Es tut mir leid«, wisperte sie. »Aber ich weiß jetzt, was es mit den Rissen auf sich hat. Sie haben nichts mit der Ankerwelt zu tun. Wir brauchen gar kein Blut.«
    Eoghan regte sich immer noch nicht. »Das ist eine akademische These, die Magister Féach sicher interessant finden wird. Ich bezweifle allerdings, dass sie dazu beiträgt, die gegenwärtige Krise unter Kontrolle zu bringen.«
    Sie wünschte, die Erde würde sich unter ihr auftun und sie verschlingen. Die Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte, waren auseinandergefallen und trudelten wild durch ihren Geist, ohne den Weg auf ihre Lippen zu finden. Wiedergutmachung konnte sie auch keine anbieten, mit Kens Siegel auf dem Handgelenk. Sie bemerkte erst, dass sie weinte, als ihr die Tränen in warmen, klebrigen Fäden über die Wangen liefen und in den Halsausschnitt tropften.
    Eoghan seufzte, die erste menschliche Regung, seit sie den Raum betreten hatte. »Wie siehst du überhaupt aus?«
    »Ich wäre fast gestorben«, stieß sie hervor.
    Jetzt kam er doch hinter seinem Tisch hervor, der zwischen ihnen stand wie ein Bollwerk vor feindlichem Beschuss. Er sah müde aus. Unter seinen Augen kauerten Schatten. Auf der Stirn verblasste die rötliche Druckstelle der Krone, die er wohl irgendwann während der Unterredung abgesetzt hatte. Dass er es für notwendig befunden hatte, die Insignie seiner Macht überhaupt anzulegen, sagte viel aus. Magister Féach spottete sonst darüber, dass das Ding wohl vor Jahren schon in einen Abort gefallen war, so lange, wie er sie nicht mehr gesehen hatte. Eoghan hatte es nicht nötig, seinen Rang durch Symbole zu unterstreichen. Er hasste die Krone. Er klagte oft genug darüber, dass sie zu schwer war und ihm Kopfschmerzen bereitete, wenn er sie länger als eine halbe Stunde tragen musste.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    »Ich wollte

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