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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Coinneach erinnerte, waren die unnatürlich amethystfarbenen Augen und das seidige, weißblonde Haar, für das jede Frau getötet hätte. Und selbst das hatte er in einem ordentlichen Zopf im Nacken zusammengebunden.
    Die zerlumpten Jeans und die Indianerdecke hatte er eingetauscht gegen eine gut geschnittene schwarze Hose und einen kurzen Wollmantel, darunter trug er einen Pullover mit V-Ausschnitt. Die Lederschuhe an seinen Füßen sahen genauso teuer aus wie der Rest seiner Kleidung. Schwert und Bogen waren verschwunden. Nur das Medaillon hing noch um seinen Hals. Ken hoffte nur, dass der Fayeí nicht jemanden dafür ausgeraubt hatte.
    Coinneachs Blick war sehr klar, jede Spur seines Wahnsinns war verschwunden.
    »Du hast für mich ausgesagt?« Ken presste sich die Finger gegen die Schläfen. »Woher wusstest du überhaupt, dass ich hier bin?«
    »Ich habe gesehen, wie sie dich in den Wagen brachten.«
    »Du solltest doch warten, bis die Luft rein ist.«
    Coinneachs Lächeln wurde breiter.
    »Und was hast du denen erzählt?«
    Coinneach berührte ihn an der Schulter. »Lass uns gehen.«
    Der Fayeí führte ihn zu einem silberfarbenen Dodge Caliber draußen auf dem Parkplatz, bei dem die Unterlagen der Autovermietung noch auf dem Beifahrersitz lagen. Ken blieb stehen. »Ich begreife es nicht.«
    »Was begreifst du nicht?«
    »Das alles.« Er machte eine weit ausholende Bewegung mit dem Arm. »Wie du plötzlich aussiehst, dass du ein Auto fährst, dass du einfach in diese Polizeistation marschierst und denen glaubwürdig versichern kannst, du seist mein Vater. Ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber vor zwei Tagen hattest du noch einen ziemlichen Dachschaden. Gestern bekämpfst du mit Schwert und Bogen Spaltbestien, und heute …« Angestrengt suchte er nach Worten. »Ich dachte nicht, dass du dich in der Zivilisation auskennst, okay?«
    »In der Zivilisation?« Coinneach hob eine Braue. »Eure Welt ist nur eine unter Tausenden. Was bezeichnest du als Zivilisation? Geteerte Straßen? Den Schnitt deiner Kleidung? Ist Mechanik zivilisierter als Magie?«
    »Ich wusste, du würdest es in den falschen Hals bekommen.«
    »Steig ein.« In Coinneachs Augenwinkeln funkelte Amüsement. »Bevor ich mich im Käfig meiner Mutter verfing und nicht mehr herausfand, habe ich viel Zeit in deiner Welt verbracht. Es fasziniert mich, wie ihr den Mangel an magischem Potenzial in eurer Welt mit Mechanik und Elektrizität kompensiert.«
    »Mh-mh.« Ken stopfte die Mietwagen-Papiere in die Türtasche und ließ sich in die Sitzpolster fallen.
    »Hast du Hunger?«
    »Jetzt, wo du es sagst …« Sein Magen rumorte schon von zu viel Kaffee und den pappigen Chips, die er in sich hineingestopft hatte.
    »Hast du ein Lieblingsrestaurant?«
    »Kennst du das Steak Hut?«
    Coinneach schüttelte den Kopf.
    »Ein Stück die Straße runter.« Bilder von köstlichen Käse-Steak-Sandwiches mit süß geschmolzenen Zwiebeln materialisierten sich in seinem Kopf. Oh mein Gott, ja, das war genau das, was er jetzt brauchte. »Ich sage dir, wann du abbiegen musst.«
    Sie rollten hinaus auf die Straße. Coinneach warf ihm einen Blick zu. »Wie geht es Claire?«
    »Du meinst Mom? Hast du sie gesehen?«
    »Aus der Ferne.« Ein trauriges Lächeln glitt über die Alabasterzüge. »Ich wollte nicht wie ein Landstreicher aussehen, wenn ich vor sie trete.«
    »Sie ist okay.« Ken zuckte mit den Schultern. Warum sagst du das, begehrte die Stimme in seinem Hinterkopf auf. Warum sagst du, dass sie okay ist, obwohl es nicht stimmt?
    »Hat sie mich nie erwähnt?«
    Die Blase aus Groll und Unmut in Ken blähte sich auf und platzte. Wie konnte dieser Mann, der sein Vater sein wollte, sein leiblicher Vater, hier so ruhig sitzen und lächeln und tun, als wäre er ein alter Freund, der Mom nach vielen Jahren einmal besuchen kam? Wieso tat er, als wäre alles gut, während in Wirklichkeit nichts gut war?
    Ihr Ältester wartete im Gefängnis auf die Mordanklage, Dad schlug sie grün und blau, wenn er ein Ventil für seinen besoffenen Zorn brauchte, und die ganze Nachbarschaft machte sich über sie lustig, wenn ihre Wahnanfälle sie heimsuchten. Sie zog sich in ihre Bibelgruppe zurück, die aus lauter verhärmten Frauen bestand, die zu Hause genauso untergebuttert wurden wie sie selbst, und wandte ihre spärliche Kosmetik dafür auf, sich die Spuren aus dem Gesicht zu schminken, wenn sie wieder einmal geweint hatte.
    »Nein, hat sie nicht.« Seine Stimme erstickte fast vor Wut.

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