Purpurdämmern (German Edition)
Nachbarschaft lebte, litt Santino keinen Mangel mehr an Obst, frisch gebackenem Brot oder sonstigen Lebensmitteln. Aishide kümmerte sich rührend um sein Wohlergehen, und im Gegenzug bezahlte er ihr für einen Korb voller Mangos etwas mehr, als sie auf dem regulären Markt für ihre Ware bekommen hätte.
»Du warst fort!«, verkündete sie statt einer Begrüßung. »Wir haben uns Sorgen gemacht!«
Bei aller Müdigkeit, sie brachte ihn zum Lächeln. »Wer ist wir?«
»Ich und die anderen natürlich!« Was alles Mögliche heißen konnte.
»Also gut, ich bin wieder da.«
»Du siehst furchtbar aus.«
»Danke, Aishide. Das aus dem Mund einer schönen Frau.«
Sie schnaubte und hob einen Korb vom Boden auf, der mit Tüchern abgedeckt war. »Ich habe dir etwas mitgebracht.«
Er bückte sich und lupfte den Stoff zwei Fingerbreit. Ein wunderbarer Geruch schlug ihm entgegen, Honig, Hefeteig und ein exotisches Gewürz, das er nicht zuordnen konnte.
»Aishide«, ächzte er, »habe ich erwähnt, dass meine Liebe zu dir mit jedem dieser Körbe wächst?«
Sie schnaubte abermals, doch Fröhlichkeit blitzte in ihren Augen. »Du schuldest mir zwölf Purpurlinge.«
»Moment.« Er drehte sich herum und tauchte ins Halbdunkel seiner Küche, fand die Holzschale voller Münzen und klaubte eine Handvoll davon heraus. Als er zu ihr zurückkehrte, war es zwischen den Marktständen am unteren Ende der Straße unruhig geworden. »Hier.«
Sie schüttelte die Plättchen in ihrer Handfläche. »Das ist zu viel.«
»Wirklich?« Er packte sie um die Hüften und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Ist mir gar nicht aufgefallen.«
Aishide befreite sich lachend aus seinem Griff. »Ich fahre morgen ins Eidhnean-Tal, ich könnte dir Moostrauben mitbringen.«
»Ja, könntest du.« Aus dem Strudel zwischen den Verkaufsständen löste sich ein Trupp Reiter. »Ich werde bald einen Lehrling haben, dann musst du für zwei sorgen statt für einen.«
»Einen Lehrling?« Sie entblößte schneeweiße Zähne. »Ist er hübsch?«
»Hübsch genug, um allen Mädchen in der Nachbarschaft den Kopf zu verdrehen. Aber keine Sorge, er hat sein Herz schon verloren. Deine Tochter ist nicht in Gefahr.« Er blickte an der Obsthändlerin vorbei. »Was ist da unten los?«
Sie wandte sich um und runzelte die Stirn vor Anstrengung, Einzelheiten zu erkennen. »Die königliche Garde.«
Das Straßenpflaster hallte von den Hufschlägen wider, sobald sie höher den Hügel heraufkamen. Es waren mindestens ein Dutzend Reiter, die die ganze Breite der Gasse ausfüllten. Santino fiel kein Grund ein, warum ihn die Garde in seinem Haus aufsuchen sollte, und außer ihm lebte hier oben niemand, der bei Hof eine Position bekleidete. Der Anblick der Gardisten mit ihren funkelnd polierten Brustpanzern und den purpurnen Schnüren im Haar lockte die Kinder auf die Straße. Es war eine ganze Horde, die ihnen lachend und kreischend vor Vergnügen nachrannte. Santino schob Aishide hinter sich. »Geh ins Haus.«
»Wieso?«
»Vielleicht ist es nichts. Aber tu mir den Gefallen und geh einfach hinein.«
Es war ein Reflex aus seinem früheren Leben. Dabei wusste er, dass ihm die Garde nicht übel gesonnen sein konnte. Wahrscheinlich waren sie gekommen, um eine dringende Nachricht zu überbringen.
Der Leutnant des Trupps zügelte sein Pferd so dicht vor Santino, dass dieser unwillkürlich einen Schritt zurückwich.
Vier positionierten ihre Pferde in einem Halbkreis und richteten ihre Lanzen nach unten. Santino musterte die schwarz geschliffenen Spitzen, während ihm bewusst wurde, dass sein Schwert drinnen auf dem Küchentisch lag, zusammen mit der Pistole. Das konnte nur ein Missverständnis sein. Oder der Kerl war ein titelhungriger junger Offizier, der etwas beweisen musste.
»Ich bin Clâiragh«, verkündete der junge Mann, »eingeschworen unter den Siegeln des Throns von Tír na Mórí, und im Namen des Königs fordere ich Euch auf, Euch unter königliches Recht zu beugen und mit uns zu kommen, ohne Widerstand.«
»Ähm. Wie bitte?«
»Ihr steht unter Arrest, Magier. Und ich bin hier, um Euch in Ketten zu legen.«
Ein Missverständnis. Oder ein schlechter Scherz. Nachdem er Marielle im Tíraphal in die Obhut ihrer Gouvernante übergeben hatte, war ihm die Zeit zu lang geworden, auf Eoghans Rückkehr aus einer endlosen Kette von Unterredungen zu warten. Dass ihm der König die kleine Respektlosigkeit so übel nahm, dass er gleich die Garde schickte, konnte er sich allerdings
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