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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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»Und wenn du es genau wissen willst, ich habe gelogen.« Und dann floss es aus ihm heraus wie eine Schlammflut, die viel zu lange hinter einem Damm aufgestaut gewesen war. Dass der Kerl, den sie geheiratet hatte, ein ständig besoffener Versager war, der sie und ihre Kinder terrorisierte. Dass Pat die Familientradition fortsetzte und Mom den Schlaf mit seinen Gang-Eskapaden raubte. Dass er, Ken, sich deshalb mit jeder Menge Problemen an der Schule herumschlagen musste. Dass Mom sich jede Nacht die Augen aus dem Kopf heulte und im Dunkeln ihre Schuhe verlor, weil sie wie eine Verrückte unter den Apfelbäumen im Nachbarsgarten hindurchrannte. Dass sogar ihre Freundinnen hinter ihrem Rücken tuschelten, dass Claire nicht ganz richtig im Kopf sei, und dass es wahrscheinlich daran lag, dass Randall sie einmal mit dem Schädel voran gegen einen Türpfosten geworfen hatte.
    Coinneachs Finger verkrampften sich am Lenkrad, während er lauschte. In der Ferne leuchteten die Bögen der Ambassador Bridge über dem Detroit River.
    »An der nächsten Ampel links«, sagte Ken.
    »Es tut mir leid.« Die Miene des Fayeí war zu einer glasharten Maske erstarrt. »Wenn du ahnen könntest, wie leid es mir tut.«
    »Das ändert jetzt auch nichts mehr.« Ken wandte den Kopf ab und starrte seitlich aus dem Fenster. »Warum bist du damals abgehauen und nicht zurückgekommen?«
    »Sie war mit diesem Mann verheiratet, und ich hoffte, sie würde ihn fortschicken. Er war nicht gut zu ihr. Er hat sie nicht geliebt. Nicht so wie ich. Ich wollte nicht gehen.«
    »Ja, aber warum
bist
du dann gegangen?« Es kam in einem anklagenden Tonfall heraus, und Ken fügte nichts hinzu, um die Härte zu relativieren.
    Vor ihnen leuchteten die Bremslichter der Autos auf wie eine rote Perlenkette. Sie hielten vor der Kreuzung. Rechts erhob sich das verlassene Lagerhaus, auf dem er für Pat und seine Gang Schmiere gestanden hatte, bevor die Cops sie hochnahmen.
    »In meiner Welt bin ich ein Prinz.«
    »Ich weiß.« Und was zur Hölle hatte das damit zu tun, dass er Mom geschwängert und ihr das Herz gebrochen und sie dann verlassen hatte?
    »Meine Mutter ist die Königin der Tuatha Avalâín und …«
    »Das hat mir Marielle doch längst erzählt.«
    »Ich versuche nur, es dir zu erklären.«
    Minutenlang schwiegen sie beide. Coinneach gab zu viel Gas, als die Ampel auf Grün schaltete. Seltsamerweise war es dieses kleine Detail, das ihn so menschlich erscheinen ließ, dass ein Teil von Kens Groll verrauchte. Vielleicht sollte er ihn wirklich erst ausreden lassen. Immerhin hatte der Fayeí ihn aus der Arrestzelle geholt. »Tut mir leid«, murmelte er. »Was war also jetzt mit deiner Mutter?«
    »Maebh ist nicht gut für mein Volk. Die Macht hat sie korrumpiert. Als mein Vater krank wurde, gab es ein Gerücht, dass sie ihn vergiftet hätte, damit er ihren Ambitionen nicht länger im Weg stand.« Er holte tief Luft. Ken beschlich das Gefühl, dass auch in Coinneachs Brust viel Ungesagtes eingezwängt lag. »Ich bin nie gut mit ihr ausgekommen. Mein Bruder Aedan dagegen war ihr treu ergeben. Er gefiel sich immer schon als Werkzeug ihrer ehrgeizigen Pläne. Ich habe ein gewisses Talent, was Tore angeht. Ich kann sie aufspüren und ihre Schlüssel ergründen und auch selbst welche schaffen, wenn das Gewebe willig ist. Ich konnte mir nie vorstellen, selbst König zu sein.« Sein Mundwinkel verzog sich schuldbewusst. »Den größten Teil der Zeit blieb ich vom Hof und seinen Intrigen in Tír na Avalâín fern. Maebh hielt mich für eine Bedrohung, aber darin irrte sie. Sie hätte mich nur fragen müssen, und ich hätte meinen Thronanspruch freiwillig hergegeben. Ich wollte ferne Welten erkunden, das war mir Erfüllung genug. Zuerst im Scharlachrot, dann verschlug es mich in diese Welt in den Dämmerschatten. Dieses Echo deiner Stadt.«
    Sie fuhren ein kleines Stück den Rosa Parks Boulevard hoch und bogen ein zweites Mal nach rechts, auf den Lafayette Boulevard, der die Eisenbahnschienen kreuzte.
    »Dämmer-Detroit war ein Paradies für einen Herumtreiber wie mich. Das Gewebe war so gesättigt mit magischem Potenzial, dass es von den Bäumen tropfte, und für eine Welt der Dämmerschatten erstaunlich stabil. Ich entdeckte eine Reihe von Portalen, und eins führte hierher. Ich traf Claire. Sie war … sie ist ein Wunder.« Seine Wangenmuskeln verkrampften sich. »Ich liebe sie. Ich hätte alles für sie getan.«
    »Ich mag solche Geschichten nicht«, versuchte Ken zu

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