Purpurdämmern (German Edition)
scherzen, »sie gehen nie gut aus.«
Coinneach lachte, trocken und hart. »Ich war so versessen auf Claire, dass ich mich über Jahre nicht mehr bei Hof blicken ließ. Die Zeit in Níval vergeht schneller, als in deiner Welt. Deshalb entging mir, dass mein Vater den Weg in die Glasgärten antrat, und Maebh den Rat dazu brachte, Aedan zu krönen, obwohl ich der Erstgeborene war. Sie erklärte, dass sie meinen Tod in der Fremde geträumt habe und dass ihre Boten mich nicht ausfindig machen konnten. Und sie stellte mir eine Falle, um sicherzugehen, dass ich wirklich nicht zurückkehrte.«
»Deine Mutter? Das ist mies!«
»Sie wusste von Dämmer-Detroit und von diesem Tor. Sie manipulierte es. Oder vielleicht nicht sie selbst, aber einer ihrer Assassinen. Stell es dir vor wie eine magische Tretmine. Du gehst hindurch und – Bumm!« Er nahm eine Hand vom Lenkrad und schob sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich denke, die Explosion hat mich nicht mit voller Kraft getroffen. Statt mich zu töten, verzerrte sie das Gewebe der Dämmerschatten zu einer Blase und erzeugte dadurch eine Welt in der Welt, mit unsichtbaren Wänden. Ich fand mich in diesem Apfelhain gefangen. Ich konnte das Gewebe manipulieren, ich konnte die Bäume in Silbersäulen verwandeln, wenn ich wollte, mir ein Festmahl auf die Wiese stellen, die Vögel vom Himmel holen. Aber ein Tor konnte ich nicht öffnen, und wenn ich die Grenzen meines Kerkers überschritt, landete ich wieder in der Mitte des Hains.«
»Wow. Klingt wie Alice im Wunderland.«
»Es stellte etwas mit meinem Geist an. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wer ich war und was ich wollte. Ich hatte nur dieses Amulett und ich wusste, dass der Name der Frau Claire war.« Seine Stimme brach. »Ich dachte, ich müsste sie nur finden, und dann würde der Nebel sich lichten. Ich bin einem Geist nachgejagt, wie die Katze ihrem eigenen Schwanz.« Sein Blick zuckte von der Straße fort zu Ken. »Welches Jahr ist es hier?«
» 2011 .«
»Sarrakhans Gnade. Zwanzig Jahre in dieser Welt?« Er richtete das Lenkrad gerade, als sie aus der Spur drifteten. »Das entspricht dreihundert Jahren in Dämmer-Detroit. Ich habe dreihundert Jahre in meinem Kerker verbracht.«
»Dafür hast du dich aber gut gehalten«, frotzelte Ken, weil ihm vor lauter Verlegenheit nichts Besseres einfiel.
»Sie wird bezahlen«, murmelte der Fayeí. »Dafür wird sie bezahlen.«
»Da vorn rechts.«
»Als die Hülle von Dämmer-Detroit zersplitterte, hat sich der Anker gelöst, an dem die Blase klebte. Und die Haarspange, die du mir gegeben hast …« Coinneach zögerte. »Woher wusstest du, dass es funktionieren würde?«
»Ich wusste es nicht. Ich hatte nur keine bessere Idee.«
»Die Spange war wie eine Kette, an der mein früheres Leben hing. Ich habe mich daran festgehalten, als die Blase sich auflöste. Ich wäre sonst wahnsinnig geworden.«
Ken verkniff sich die Bemerkung, dass das nicht viel an seinem vorherigen Zustand geändert hätte. Sie passierten einen Autoersatzteilhändler und ein graues Lagersilo und eine Ansammlung stuckverzierter Klinkerbauten, in deren Erdgeschossen sich Läden befanden. Das Steak Hut war ein kleines Ziegelhaus, nur einen Block entfernt von der Hauptpost. Coinneach bog auf den Parkplatz und stellte den Motor ab.
»Okay, schon gut. Ich hab’s begriffen.« Ken löste den Gurt. »Du konntest nicht zurückkommen, weil du in einem magischen Käfig verrottet bist. Dafür, dass ich dich rausgeholt habe, könntest du mich übrigens zum Essen einladen.«
Coinneach tastete nach seinen Taschen. »Gibt’s hier in der Nähe eine Bank?«
»Da vorn um die Ecke ist eine Tankstelle, die haben einen Geldautomaten.«
Die Schärfe um seine Mundwinkel glättete sich. Unheimlich, wie der Fayeí seine Mimik im Griff hatte. Mit dem Grinsen, das er jetzt aufsetzte, sah er wieder ganz aus wie einer dieser überbezahlten Managertypen, und nicht wie ein vierhundert Jahre alter, um sein Erbe betrogener Prinz, den seine eigene Mutter in ein Gefängnis aus Schatten und Wahnsinn gesperrt hatte.
»Geh schon mal vor«, sagte Coinneach. »Und besorg uns einen Tisch.«
Santino war sich nicht sicher, wen er erwartet hatte, aber es erleichterte ihn, dass es nur die Obsthändlerin war, die in der Tür stand.
Aishide hatte die Gesichtszüge und die Augen einer Fayeí, doch ihre Haut schimmerte zu dunkel für eine Reinblütige. Sie war erst vor einigen Jahren ins Karmesin-Viertel gezogen. Seit sie in der
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