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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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ähneln, ist es mir nicht gleich aufgefallen.«
    »Moment.« Der Humor war aus Kens Stimme verschwunden. »Das geht einfach so? Keine Blitze oder Sternentunnel? Man macht einen Schritt und fertig?«
    »Genau.«
    »Und das kann jeder?«
    »Hindurchgehen kann jeder. Ein Tor aufspüren und es öffnen, nicht viele. Sie werden Former genannt. Und eins zu bauen … sagen wir so: Nur einer von tausend Formern taugt als Architekt.«
    »Und
sie
ist eine Architektin?«
    »Du musst nicht über mich reden, als wäre ich nicht hier«, fauchte Marielle.
    »Sie ist eine Architektin«, bestätigte Santino. Zu ihrer Empörung sah er sie nicht einmal an. »Zwar ohne Schliff und Verantwortungsgefühl, aber mit gigantischem Potenzial, das sie einsetzt, um sich ständig in Schwierigkeiten zu bringen.«
    Wenn du wüsstest, dachte sie mit aufkeimender Wut. Wenn du auch nur den Hauch einer Ahnung hättest …
    Nessa stieß sich vom Boden ab und sprang ihr auf den Schoß. Beim Umdrehen fegte sie ihr mit dem Schwanz über den Mund, hakelte mit den Krallen ein paar Fäden aus der Hose und rollte sich in eine gemütliche Sitzposition.
    Schweig. Du hast es verdient. Das weißt du genau.
    In Kens Mundwinkeln zuckte ein Grinsen, das sie erleichterte und zugleich ihren Ärger schürte.
    Der Kellner tauchte auf und brachte das Steak. Es duftete köstlich.
    »Wo darf ich den Fisch servieren?«, fragte er. Die rohen Filets waren hübsch mit Avocadospalten und einem Sträußchen Koriander auf einer Porzellanplatte angerichtet.
    Ich hasse Koriander.
    Marielle versetzte der Purpurkatze einen Klaps zwischen die Ohren und wies auf den Boden.
    »Da unten?« Mit ungerührter Miene breitete der Kellner eine Serviette auf dem Teppich aus und stellte den Teller darauf ab.
    Du erwartest nicht, dass ich vom Boden esse, oder?
    Marielle regte sich nicht. Nessa begann, ihre Krallen an ihrer Hose zu schärfen.
    Ken wartete, bis der Kellner sich entfernt hatte. »Das heißt, ich muss nur zurück ins Depot, gehe durchs Tor und bin wieder zu Hause?«
    »Theoretisch ja«, sagte Santino.
    Die Purpurkatze krallte ein bisschen fester.
    »Wieso theoretisch?«
    »Weil wir nach meinem Bauchgefühl ungefähr dreißig Meilen vom Depot entfernt sind, die Freeways nicht benutzen können, und es im Stadtgebiet zwischen hier und dem Depot von Schurken nur so wimmelt.« Der Magier blickte Marielle an. »Was war das übrigens auf dem Freeway? Die Kopfgeldjäger sind uns nicht auf die Interstate gefolgt, und außer uns war kein anderes Auto auf der Straße. Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass etwas Böses dort sein Unwesen treibt.«
    »Ich konnte mich auf einmal nicht mehr erinnern, wo ich hinwollte«, fiel Ken ein. »Es war wie ein Rausch. Ich habe Stimmen gehört, ich wollte aussteigen.«
    Santino nickte. »Wenn du es getan hättest, wärst du jetzt tot. Oder verrückt. Ein Glück, dass die Brücke so dicht vor uns war.«
    Nessa hieb mit beiden Vorderpfoten auf Marielles Oberschenkel ein.
    »Au!« Entnervt hob Marielle den Teller auf den Tisch. Die Purpurkatze stieß sich von ihren Knien ab und landete zwischen zwei Gläsern.
    »Man hat mich vor den Freeways gewarnt«, sagte Marielle. »Sie sind Geisterland. Gespinstgeister schwappen von den Grenzen herein und holen die Lebenden, die es wagen, die Dunklen Wege zu beschreiten.« Unwillkürlich erschauderte sie. »Ich habe es auch gespürt. Es war stark. Ich konnte mich kaum noch konzentrieren. Reines Glück, dass wir mit dem Portal nicht mitten im Fluss gelandet sind. Eine Sekunde länger, und ich hätte vergessen, wie man ins Gewebe greift.«

    Das Marriott hatte altmodische Fenster, die man weit genug aufschieben konnte, sodass Regenfahnen ins Zimmer wehten. Ken stellte sich vor, im Penthouse des Depots auf seinem Fenstersims zu sitzen, doch es funktionierte nicht. Wahrscheinlich weil am Horizont nicht die Türme von Downtown funkelten, sondern diese außerirdische, grünlich pulsierende Narbe. Als hätte ein Tier mit gewaltigen Krallen eine Wunde in den Himmel geschlagen. An den Rändern waberte Nebel. Das Ding hing da, groß wie Texas, und leuchtete von innen, ohne selbst Licht abzugeben.
    Er streckte eine Hand hinaus in den Regen, der in Wasserfällen von den Dachrinnen rauschte und knöcheltief auf dem Parkplatz stand. Ob die Narbe radioaktiv war?
    Aber warum machte er sich überhaupt Sorgen? Wenn er Santino glauben konnte, war das hier nur eine Parallelwelt von angeblich Tausenden. Mit einem Schritt zwischen zwei

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