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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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hineingelaufen.«
    Nessa zuckte frostig mit den Schnurrhaaren.
    »Santino ist wütend auf mich, nicht wahr?« Marielle drückte den Badeschwamm über ihrem Dekolleté aus.
    Das ist auch kein Wunder.
    »Bist du etwa auf seiner Seite?«
    Immerhin hat er dich aus diesem Räuberloch befreit.
    »Das hätte ich auch allein geschafft.«
    Ach ja?
    »Vielleicht auch nicht«, gab sie klein bei. »Aber er hätte uns alle umbringen können! Das Feuer –«
    Das war nicht Santino. Das war Ken. Der Junge.
    »Was?« Sie hatte nicht den geringsten Hauch von Magie an Ken gespürt. Bei den Winternebeln, darüber hatte sie noch nie nachgedacht. Unwillkürlich richtete sie sich in der Badewanne auf. Schaum und Wasser liefen ihr in die Augen. »Aber wie ist das möglich?«
    Hast du dich nie gefragt, warum du in einer Welt so dicht am Kern Portale errichten kannst?
    Sie wich Nessas Blick aus. »Ich dachte, es liegt an mir.«
    An deinen überragenden Talenten, die jeden anderen Former als Stümper erscheinen lassen?
    »Hör auf.«
    Du bist eitel, kleines Mädchen.
    Für drei Herzschläge kämpfte sie gegen das Bedürfnis an, den nassen Schwamm nach der Purpurkatze zu schleudern. Die meiste Zeit hatte Nessa nur Unfug im Kopf und brachte Marielle zum Lachen. Doch manchmal kam die andere Hälfte ihrer Persönlichkeit an die Oberfläche, die erklärte, warum Purpurkatzen als Ratgeber großer Herrscher verhätschelt wurden. Mit zusammengepressten Lippen ließ sie den Schwamm sinken. Ja, sie hatte sich übernommen. Die Strafe war auf dem Fuß gefolgt. Nessa würde es ihr noch tagelang unter die Nase reiben.
    »Also warum? Sag’s mir.«
    In diesem Jungen schlummert ein so gewaltiges Potenzial, dass es ganz ohne sein Zutun das Gewebe der Wirklichkeit in seiner Nähe verändert. Der Stoff im Kern ist normalerweise zu starr, als dass ein Former ihn manipulieren könnte. Aber wo der Junge ihn berührt, sickert ein wenig von seinem Potenzial hinein und lockert die Maschen. Verstehst du?
    Sie nickte unwillig. Die Vorstellung, dass dieser Junge etwas Besonderes sein sollte, ein magisches Talent, behagte ihr nicht. War sie etwa eifersüchtig? »Als ich nach einem Anker für meine Tore gesucht habe, hat es mich in diese Halle gezogen. Und du glaubst, es liegt daran, dass Ken darin lebt und das Gewebe mit seiner magischen Ausstrahlung benetzt?«
    Ist dir nicht aufgefallen, dass es mit den Jahren immer einfacher wurde, das Gewebe zu teilen?
    »Hmpf«, machte sie. Auch das hatte sie als Zeichen ihrer wachsenden Fähigkeiten genommen. Und jetzt sollte Ken dafür verantwortlich sein? Das fühlte sich an, als hätte man ihr nachträglich ein Geburtstagsgeschenk wieder weggenommen. Plötzlich hatte sie den Spaß am Bad verloren. Sie drehte den Stöpsel heraus, langte nach einem Handtuch und stieg aus dem Wasser.
    Ihre Kleider waren vom Zusammenstoß mit den Wegelagerern ramponiert. Missmutig zupfte sie am Kragen ihrer Jacke herum. Die weißen Federn waren zerfetzt, wo das Klebeband sie erwischt hatte. Sie war den Kerlen in die Arme gelaufen, als sie sich dem Krater genähert hatte, über dem bei ihrem letzten Besuch noch die Festung des Buchstabensammlers gestanden hatte. Die Kopfgeldbanden in Dämmer-Detroit trieben sich sonst auf der anderen Seite der Freeways herum, um Geschäftsleute oder reiche Mädchen von den Straßen zu entführen und gegen Lösegeld einzutauschen. In diesem Teil der Stadt lebten zu wenige Menschen. Hier gab es nichts zu holen. Also wirklich, wie hätte sie damit rechnen sollen, dass Grünauges Gang ihr Territorium verlegte?
    Sie kämmte sich die feuchten Locken nach hinten und band sie zusammen. Kritisch begutachtete sie das Ergebnis, schüttelte sie wieder aus und griff nach dem Fön.
    Willst du ihn beeindrucken?
Nessa landete mit einem weichen Satz auf dem Boden und strich ihr um die Beine.
    Marielle wurde rot. Sie hasste es, wenn die Purpurkatze sie durchschaute, bevor sie selbst sich über ihre Motive im Klaren war. »Er soll gleich wissen, wer hier der Meister ist«, murmelte sie.
    Und es hat wirklich gar nichts damit zu tun, dass er exotisch aussieht und viel interessanter ist als die Hofschranzen im Tíraphal und rein zufällig im richtigen Alter?
    Sie packte das nasse Handtuch und schleuderte es nach der Purpurkatze. Nessa wich geringschätzig zur Seite aus.
    Meinst du, die haben Fisch in der Küche?
    Seufzend bürstete Marielle sich die Locken. Der bläulich-silbrige Fayeí-Glanz, der typisch war für die Tuatha Mórí, kam

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