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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Dämmer-Detroit.«
    »Dämmer-Detroit«, wiederholte Ken. Er sah aus, als wüsste er nicht, ob er sie anschreien oder in irres Gelächter ausbrechen sollte. Ein leises Schuldgefühl regte sich in ihr. Bestimmt hatte ihm niemand die Sache mit den Dimensionen erklärt. Die meisten Bewohner der Kern-Welten wussten nichts über die Spiegelscherben. Sie hielten ihre eigene Welt für die einzig existierende Realität. Kein Wunder, schließlich war das Gewebe im Kern nur an ganz wenigen Stellen dünn genug, um ein Tor zu errichten. Wie zum Beispiel in Kens Bahnhofsruine.
    »Es ist kompliziert«, fügte sie hinzu. »Oder eigentlich nicht kompliziert, aber sehr verwirrend, wenn man noch nie davon gehört hat.«
    »Also hat mich eine böse Fee in eine Parallelwelt gehext?«
    Santino strengte sich an, ein Grinsen zu unterdrücken. Sie warf ihm einen strafenden Blick zu. Sollte er es doch erklären. Schließlich hatte er ihn hierher verschleppt. Aber der Magier verzehrte seelenruhig seine Hähnchenbrust und sagte kein Wort.
    »Es gibt Tausende von Realitäten.« Wo sollte sie nur anfangen? »Ich kann dir das bei Gelegenheit mal genauer erklären. Jedenfalls, wenn das Gewebe, aus dem eine Welt gemacht ist, durchlässig ist, kann man ein Tor hineinreißen, das in eine andere Welt führt. Ist das so weit klar?«
    »Wenn du es sagst.«
    Machte er sich etwa lustig über sie? »Hör mal, wenn es dich nicht interessiert, kann ich auch aufhören.«
    »Nein, nein«, beteuerte er. »Das ist toll.«
    Er hatte sehr helle Augen, graublau wie eine Sturmflut im Winter. Dunkle Wimpern verschatteten seinen Blick. An den Spitzen schimmerten sie rötlich-golden. Unwillkürlich fragte sie sich, ob ihm die Mädchen in seiner Welt genauso nachliefen, wie Santino die Hühner aus dem Tíraphal. Ob sie tuschelten und kicherten, wenn er vorbeiging. Und ob er um seine Wirkung wusste und von jeder nur naschte, um dann weiterzufliegen, ein schöner Schmetterling. Nein, dachte sie. So ist er nicht. Zu still, zu wenig wortgewandt. Außerdem, wieso interessierte sie das?
    »Wirklich«, sagte er. »Ich will es wissen.«
    »Was?« Sie schrak aus ihrem Tagtraum auf und verhaspelte sich. Santino betrachtete die Soße auf seinem Teller, als hätte er darin ein Tor zur Rubinküste entdeckt. Bestimmt lachte er sich innerlich tot. Sie hasste ihn. Und Nessa, die sich hämisch schnurrend zu ihren Füßen räkelte, hasste sie auch.
    »Alles, was man für ein Tor braucht, ist ein Rahmen. Eine Brücke zum Beispiel. Oder zwei Säulen mit einem Querbalken, oder einen zu Boden gedrückten Baumstamm, unter dem man hindurchkriechen kann.«
    »Aha.«
    »Und einen Schlüssel.«
    »Mm-hm.«
    »Also, ich habe in deiner Schlossruine ein Tor gebaut.«
    »Du meinst das Depot.«
    »Von mir aus. Genau genommen habe ich mehrere Tore erschaffen.« Aus dem Augenwinkel schielte sie zu Santino. »Ungefähr dreiundzwanzig.«
    Die Gesichtszüge des Magiers entgleisten. Seine Gabel stoppte vor dem halb geöffneten Mund, und es dauerte Sekunden, bis er seine Mimik wieder unter Kontrolle hatte.
    »Dreiundzwanzig!«, brach es aus ihm heraus.
    Ken ignorierte ihn. »Und die sind alle unsichtbar?«
    Sein süffisanter Tonfall regte sie auf. Es war doch nicht ihr Problem, dass er einen so beschränkten Horizont hatte! »Sonst könnte jeder Idiot sie benutzen.«
    »Okay, unsichtbare Portale, ich verstehe. Wie geht’s weiter?«
    »Eins davon führt nach Dämmer-Detroit. Also hierher. Als wir uns –« Sie senkte den Blick, weil ihr schon wieder Hitze ins Gesicht stieg. »Tja, ich habe einen Schlüssel gemacht, aus deinem und meinem Blut.«
    »Der Kuss«, half er taktloserweise aus. »Und ich dachte, du fandest mich süß, oder so was.«
    »Weil du eben ein Idiot bist«, platzte sie heraus.
    Seine Miene versteinerte.
    Sie sah es und wollte sich am liebsten ohrfeigen. Amalia hatte ausnahmsweise recht, wenn sie ihr vorwarf, sie hätte keinen Funken Benimm und Feingefühl. Kein Wunder, dass man Prinz Newan mit gezückter Klinge zwingen musste, um ihre Hand anzuhalten.
    Ups,
schnurrte Nessa in ihrem Kopf.
    In die plötzliche Stille hinein ließ Santino sein Besteck auf den Teller fallen und lehnte sich in die Polster zurück. »Wir haben das Portal geöffnet, als du mich hinaus auf die Treppe geschleppt hast. Es war zwischen zwei Säulen aufgespannt, und wir sind hindurchgehumpelt. Du hattest noch den Schlüssel auf den Lippen. Also sind wir nach Dämmer-Detroit gewechselt. Und weil sich die Welten so sehr

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