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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Säulen hindurch gelangte er wieder nach Hause, und alles wäre wie zuvor.
    Kinderleicht.
    Er wusste nicht, ob er lachen oder in Tränen ausbrechen sollte. Dämmer-Detroit, die hatten sie ja nicht mehr alle. Andererseits war Marielles Erklärung so gut wie jede andere. Schließlich besaß sie eine sprechende Katze. Und er selbst war neuerdings fähig, durch Gedankenkontrolle Gegenstände zu entzünden. Einfach so. Ihm wurde schlecht, wenn er nur daran dachte. Die Brandblasen auf seinen Händen pulsierten als schmerzhafte Erinnerung daran, dass er sich das nicht eingebildet hatte. Vor allem die an den Fingerspitzen. Teufel noch mal, warum ausgerechnet Feuer? Oh, er konnte jetzt Pats Mustang in Flammen aufgehen lassen, oder Julys Haare anzünden. Oder Wölfe in die Luft sprengen, yeah. Feuer, zur Hölle damit! Warum konnte er nichts Nützliches zaubern? Santinos Trick mit dem Geldkoffer zum Beispiel. Wieso konnte er nicht so etwas machen? Oder gab ihm eine höhere Macht zu verstehen, dass er sein Glück im Zirkus versuchen sollte? Als Feuerspucker?
    Verdammt.
    Gar nicht zu reden von dem Penner mit Moms Porträt im Medaillon. Wenn er so darüber nachdachte, verstörte der ihn am meisten.
    Außerdem hatte er sich vor Marielle wie ein Idiot benommen. Was sie ja auch gleich in die Welt hinausposaunt hatte.
    »Prinzessin Marielle«, äffte er ihre Stimme nach. »Eure allerköniglichste Hoheit, Siegelbewahrerin von den goldenen Bettwanzen, Ihr könnt mir mal kreuzweise den Buckel runterrutschen!«
    Aber sie
war
rot geworden. Er hatte es genau gesehen. Sie hatte ihn geküsst und nun war es ihr peinlich. Das war immerhin besser, als wenn es ihr egal wäre. Oder? Ein Klopfen an der Tür ließ ihn zusammenzucken. »Ja?«
    »Ich bin’s«, drang es durchs Holz. »Santino.«
    Er schluckte die Enttäuschung herunter und glitt vom Fensterbrett. Für einen winzigen Moment hatte er gehofft, dass Marielle gekommen war, um sich für ihr zickiges Benehmen zu entschuldigen. Mit einer Stoffblume zum Beispiel. Aber Ihre Durchlauchtigste Wohlgeborenheit hatte sicher Besseres zu tun. Musste sich die güldenen Haare kämmen und das müde Haupt aufs Seidenkissen betten. War schließlich anstrengend, gerettet zu werden!
    Santinos Mantel hinterließ eine Tropfenspur auf dem Teppich. »Ich habe den Wagen verschwinden lassen«, sagte er zur Begrüßung. Sein Haar war klatschnass, das Zopfband fort. Die Strähnen ringelten sich auf seinen Schultern zu einem Wust schwarzer Locken.
    »Und wie kommen wir morgen früh zum Depot?«
    »Marielle macht ein Tor.« Der Magier schälte sich aus dem durchweichten Leder und ließ sich in den Sessel fallen. Unter dem Mantel trug er ein dunkles Shirt mit kurzen Ärmeln, das muskulöse Oberarme entblößte. Die linke Schulter war dick bandagiert. Auf der Haut des rechten Arms schimmerte ein silbriges Ornament, das den Geist verwirrte, wenn man es länger anstarrte. »Es tut mir leid«, sagte er.
    »Was tut Ihnen leid?«
    »Dass ich dich hierher gebracht habe. Das war mein Fehler. Ich hätte den Torsprung spüren müssen.«
    »Na ja –« Unbehagen regte sich in Ken. Gerade noch war er wütend gewesen und hatte sich an der Vorstellung ergötzt, Santino mit Schuldzuweisungen zu überhäufen. Doch ohne das Eingreifen des Magiers hätten Pats Freunde ihn zum Krüppel geprügelt. Außerdem war das Herzklopfen beim Wiedersehen mit Marielle den Schrecken schon fast wieder wert. Er setzte sich auf die Bettkante und betrachtete seine Brandblasen. »Diese Feuermagie-Tricks sind echt, oder?«
    Santino grinste. »So echt, dass du mir die Haare versengt hast.«
    »Wie funktioniert das?«
    »Um Magie zu wirken, brauchst du zuerst mal Potenzial. Ein Gespür für das Gewebe der Wirklichkeit und die Gabe, hineinzugreifen und es zu verändern. Dazu kommen Wille und Vision.«
    »Klingt wie
Herr der Ringe

    »Was?«
    »Vergessen Sie es. Wie kriegt man Potenzial?«
    »Man wird damit geboren.«
    »Werden viele damit geboren?«
    »Nein.«
    Ihre Blicke verhakten sich ineinander. In Santinos tiefschwarzen Augen glitzerte ein Versprechen. Eine Verlockung, die Ken so sehr faszinierte, dass er den Rest seines Ärgers vergaß.
    »Ich könnte dich lehren, dein Potenzial zu nutzen«, murmelte der Magier.
    Ken hielt den Atem an. In diesem Satz schwang so viel mehr. Tausend Realitäten, durch Tore verbunden. Christoph Kolumbus, sein großes Idol, hatte ein Leben gebraucht, um die Kontinente einer einzigen Welt zu entdecken. Mein Gott, wenn das

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