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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Heulen der Spalthunde durch die Dunkelheit, doch weit entfernt. Das dichte Blätterdach des Maulbeerbaums verbarg den pulsierenden grünen Riss im Himmel.
    Und dann konnte Ken es sehen.
    Die feinen Nebel, die sich um die Traumfänger sammelten, kaum hörbar ihr Wispern und Kichern. Unmöglich verdrehte Bewegungen. Gliedmaßen, die nicht fest und nicht flüssig waren. In einer Mischung aus Faszination und Grausen starrte er nach oben, reglos, um nicht die Aufmerksamkeit des seltsamen Zaubers auf sich zu ziehen. Einige blieben in den Fäden hängen, brabbelten und zappelten, andere glitten durch die Federbüschel herab wie in Wasserfällen aus Seide. Eine nebelhafte Kreatur landete direkt auf Marielles Stirn. Kens Hand zuckte hoch, um sie zu vertreiben, doch Santinos Finger schlossen sich um sein Handgelenk.
    »Nicht«, flüsterte der Magier. »Das ist ein guter Traum.«
    Er ließ los und Ken wälzte sich herum. Sein Handgelenk schmerzte ein wenig. Santino hatte einen Griff wie eine Stahlzange. Okay, wahrscheinlich normal, wenn man mit so einem Schwert herumfuchteln konnte. Noch eine Sache, von der er hoffte, dass der Magier sie ihm beibringen würde. Es musste ja nicht gleich ein Schwert sein. Sicher war es auch keine gute Idee, mit einem Meter geschliffenem Stahl auf dem Rücken die Dalzelle Street herunterzuradeln. Doch er sehnte sich danach, einmal, nur ein einziges Mal Pats Drohungen mit einem lässigen
Versuch’s doch
zu kontern, und ihm das Grinsen vom Mund zu hauen, bevor der andere zum Schlag ausholen konnte.
    Immer mehr von den Nebelwesen glitten zwischen den Federn herab. Sie ließen silbrige Spuren auf Marielles Stirn zurück. Die Prinzessin drehte den Kopf und lächelte im Schlaf.
    »Siehst du.« Santino ließ sich zurück in seine Felle sinken. »Die schlechten Träume bleiben im Netz hängen und lösen sich auf, wenn das Morgenlicht sie trifft. Und jetzt ruh dich aus. Morgen wird ein anstrengender Tag.«

7
    So archaisch das Indianerdorf anmutete, die Fischerboote hatten Glasfaserrümpfe und Heckmotoren, die die Ojibwe-Fischer allerdings nicht benutzten.
    Je zwei Männer paddelten, ein weiterer stand mit einem Speer bewaffnet am Bug. Sie fuhren nahe am Ufer entlang. Ken bewunderte es, wie der Mann die Balance halten konnte, obwohl der Wind die Wellen aufwühlte.
    Santino und Marielle saßen im ersten Boot, er selbst im zweiten. Er konnte sich kaum erinnern, wann er zum letzten Mal so erholsam geschlafen hatte. Und Aan’aawenhs Pflaumenmatschpaste hatte Wunder an seinen Verletzungen bewirkt. Die Brandblasen waren zu zarten Flecken verblasst. Sein Gesicht fühlte sich wieder normal an. Nichts schmerzte, als er daran herumdrückte. Die Schrammen und Schwellungen waren einfach verschwunden.
    Die Narbe, die direkt vor ihnen am Himmel pulsierte, sah anders aus als am Tag zuvor. Sie hatte sich am unteren Ende in zwei Äste gespalten, die sich ihrerseits zu einem Netz noch feinerer Risse verzweigten. Kränklich grün wallten die Nebel an den Wundrändern entlang. Unwillkürlich stellte er sich ein Küken im Ei vor, wenn plötzlich ein Schnabel in die Schale hackte. Wenn das Dach des Universums einen Sprung bekam und sich kleine Splitter lösten und kalte Luft ins Innere toste, zusammen mit dem Atem des Raubtiers, das danach gierte, das Küken zu fressen.
    Das Dickicht aus Hickory-Bäumen und Sassafras wich vor der Wasserlinie zurück und machte Platz für eine grasige Niederung, die mit Apfelbäumen bestanden war.
    Bei ihrem Anblick musste Ken wieder an den blonden Penner mit Moms Portrait um den Hals denken. Santino sagte, dass sich Sehnsüchte in den Dämmerschatten materialisierten. Konnte es sein, dass das Moms Fantasie war, die sich im Nachbarsgarten eingenistet hatte? Ein Liebhaber mit wallendem blonden Haar, der aussah wie Legolas aus
Herr der Ringe
, um sich von ihrem unerträglichen Dasein an der Seite von Randall O’Neill fortzuträumen? Okay, es war ihm ein bisschen peinlich, Moms geheimer Begierde begegnet zu sein, aber das erklärte doch ihr Medaillon um seinen Hals?
    Oder verhielt es sich andersherum, und ein Typ, der Mom aus der Ferne anhimmelte, träumte sich ihr Medaillon an die Brust? Ein heimlicher Verehrer, der sich selbst schöner und stattlicher machte, als er in Wirklichkeit war? Ken presste sich die Finger gegen die Schläfen. Mann, diese Dämmerschatten verdrehten ihm die Hirnwindungen.
    Vor ihnen tauchten die Umrisse von Belle Island auf, der großen Nachbarinsel, die über eine

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