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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Darunter schimmerte das mächtige, grotesk verformte Gebiss. Santino hob das Schwert ein Stück an und fasste den Griff mit beiden Händen.
    Ken rauschte das Blut in den Ohren. In seinem Kopf echote das Weinen des Mädchens. Der Anblick des Spalthunds riss eine urtümliche Angst in ihm auf. Es war das erste Mal, dass er einen aus der Nähe sah. Das Tier erinnerte an eine Kreuzung zwischen Wolf und Hyäne, muskelbepackt, doch mit widerwärtig kränklicher Haut. Die Proportionen wirkten falsch, irgendwie verdreht. Sie verursachten ihm desto mehr Übelkeit, je länger er die Kreatur anstarrte.
    Hinter dem Hund tauchte ein zweiter auf, dann ein dritter und schließlich noch mehr. Ein ganzes Rudel. Sie hielten sich auf der Mitte des Pfades. Das bedeutete, dass sie entweder über Intelligenz verfügten, oder über gute Instinkte. Ken war nur nicht sicher, ob es ihn beruhigen sollte, dass auch die Hunde sich vor etwas fürchteten. Oder ob er in Panik ausbrechen sollte, weil selbst die Spalthunde Angst vor den Geistern des Waldes hatten.
    Der Hund knurrte wieder. Dann schnellte er wie von einer Sehne geschossen auf den Magier los.
    Santino ließ das Schwert niedersausen. Ein hohes Jaulen, Blut und Fell spritzten, der Spalthund stürzte zu Boden, erschlaffte. Die anderen drängten nach, knurrend und belfernd. Binnen Sekunden verwandelte sich der Kampf in eine Explosion aus Stahl und Zähnen und krallenbewehrten Pfoten. Santino hackte und schlug und wirbelte herum wie ein Gott des Krieges. Seine Eleganz und die tödliche Effizienz seines Schwerttanzes faszinierten Ken so sehr, dass er für einen Herzschlag seine Furcht vergaß. Immer mehr Spalthunde drängten auf den Magier ein. Ein riesiges Ungetüm mit schwarzem Fell sprang ihn an und zwang ihn auf die Knie. Santino hieb um sich, eine Bestie stürzte zur Seite, überschlug sich und rollte über die Grenze des Pfades hinaus. Der schattenhafte Räuber, der Ken um ein Haar erwischt hatte, materialisierte sich im Moment, da das Tier auf dem Laub aufprallte. Ein schwarzer Nebel war es, die Ahnung von Krallen und Federn, ein Wischen. Der Hund jaulte auf und verstummte. Ken konnte nicht erkennen, was mit ihm geschehen war, denn es war zu dunkel zwischen den Bäumen. Ein schwerer Geruch breitete sich aus. Sumpfgras, Fäulnis, Kellerspinnweben.
    Eine grau gefleckte Spaltbestie schoss an Santino vorbei, direkt auf sie zu. Marielle schrie wie am Spieß. Ken streckte die Finger aus, hilflos, panisch. Er suchte nach dem Feuer, das die Straßenräuber versengt hatte, doch nichts geschah. Marielle fuhr herum und rannte los. Ken packte sie mit beiden Armen und warf sich über sie. Er riss sie mit sich zu Boden, bevor sie die Grenze überschreiten konnte. Der Hund sprang zu weit und schoss über sie hinweg.
    Ein Schuss krachte, dann noch einer.
    Ken blickte auf. Vor seinen Augen wogten Schlieren. Santino stand aufrecht, in seiner Hand die Pistole. Von den Hunden, die um ihn am Boden lagen, rührte sich keiner mehr. Das grau gescheckte Biest lag zur Hälfte auf dem Pfad. Die andere Hälfte, die im Schatten des Waldes gelandet war, war einfach verschwunden. Blut sprenkelte das Gesicht des Magiers, bedeckte seine Klinge, glänzte auf dem Leder seines Mantels.
    »Bist du okay?«, keuchte Ken.
    Der Magier nickte.
    Vielleicht lag es daran, dass das Schattenraubtier seinen Hunger am Spalthund gestillt hatte, aber das Weinen war verstummt. Die Vogelstimmen und das Rauschen der Blätter kehrten zurück. Santino wischte die Schwertklinge ab.
    Sie setzten sich wieder in Bewegung und ließen die Kadaver hinter sich zurück.
    Marielle bewegte sich wie eine Marionette an Fäden. Ken lief dicht hinter ihr, doch als der Wald sich lichtete und der Pfad sich verbreiterte, als rechter Hand die Bäume verschwanden und den Blick auf ein Meer aus Schilf freigaben, schloss er zu ihr auf und fasste nach ihrem Arm. Er tat es unbewusst, aus einem Impuls heraus. Als seine Finger sich um ihr Handgelenk schlossen, konnte er ihren Puls fühlen.
    »Hey«, murmelte er, »ist alles okay?«
    »Nein.« Sie klang abweisend.
    »Der Hund hat dir einen Schrecken eingejagt, was? Mir aber auch.«
    Sie schwieg. Als er schon glaubte, dass sie nichts mehr sagen würde, tat sie es schließlich doch. »Übrigens, danke. Für vorhin. Er hätte mich sonst erwischt, weißt du?«
    »Nein, weil das Schattenmonster schneller gewesen wäre.«
    Zu seiner Überraschung lächelte sie sogar. »Jetzt bin ich dir gleich doppelt was

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