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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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schuldig.«
    »Kannst mich ja ins Kino einladen. Gibt es Kinos bei euch in … na, wo du eben wohnst?«
    »Tír na Mórí.«
    »Tír na Mórí, meinte ich doch.«
    »Ich bin übrigens kein Feigling«, sagte sie nach einer Weile. »Nicht, dass du das von mir denkst. Nur mit den Hunden ist es was anderes.«
    »Das hätte ich sowieso nicht gedacht. Dass du ein Feigling bist.«
    »Als ich ein kleines Mädchen war, habe ich solche Hunde gesehen.« Sie strich sich über die Zöpfe. »In einer fernen Wüste. Ein ganzes Rudel. Sie haben mich eingekreist und hätten mich getötet, wenn er nicht gewesen wäre.«
    »Santino?«
    »Er hat mich gerettet.« Ihr Gesicht nahm einen abwesenden Ausdruck an. »Das ist viele Jahre her, aber ich träume oft von den Hunden. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich einen mit schwarzgelbem Fell, der zum Sprung ansetzt. Ich sehe ihn in der Luft und weiß genau, er wird mich erwischen. Aber kurz bevor seine Kiefer zuschnappen, wache ich auf. Ich wusste nicht … ich meine, es war eine Obsidianwüste im Rabenfächer, Milliarden Dimensionen entfernt von hier! Wie ist es möglich, dass diese Hunde jetzt hier sind? Ich habe mich gefragt, ob es vielleicht meine Schuld ist. Was, wenn sie sich aus meinen eigenen Albträumen materialisiert haben, und ich schuld bin, dass sie die Stadt terrorisieren?«
    »Warum bist du nach Dämmer-Detroit gekommen«, fragte Ken, »wenn diese Welt so gefährlich ist?«
    Sie seufzte. »Ich wollte einen Freund besuchen und ihn um Rat fragen. Beim letzten Mal war mit dieser Welt noch alles in Ordnung. Ich weiß nicht, was geschehen ist.«
    Sie sagte nichts weiter. Und er drang nicht weiter in sie. Der Pfad verwandelte sich in eine Sandstraße. Weit vor ihnen, am Ende des Schilfgürtels, tauchte ein rotes Hausdach auf.

    Beim Anblick der weiß verputzten Villa empfand Marielle milde Aufregung, doch nicht mehr die Euphorie, die sie bei der ersten Erwähnung von Rupertins Namen verspürt hatte.
    Jetzt, wo sie unversehrt dem Wald entkommen war und die Anspannung von ihr abfiel, kroch eine übermächtige Erschöpfung in ihre Glieder. Selbst die Fluchtpläne, die sie den ganzen vorigen Tag gehegt hatte, versanken im Nebel ihres übermüdeten Geistes. Vor vierundzwanzig Stunden hatte sie sich noch geärgert, sich nicht nachts aus dem Hotel geschlichen zu haben, während Santino schlief. Andererseits wusste sie auch nicht recht, wohin sie sich wenden sollte. Dort, wo die Festung des Buchstabensammlers gestanden hatte, klaffte nun ein Loch in der Erde. Sie hatte keine Ahnung, wohin er verschwunden war. Zuerst hatte sie geglaubt, er hätte die Festung ans andere Flussufer versetzt. Doch was, wenn er die Welt verlassen hatte, um nicht im Moment des Zerbrechens in den Abgrund gezogen zu werden? Was dann?
    Seit das Geheul der Hunde über den See hallte, war sie sogar froh um Santinos Eskorte. Sarrakhans Gnade, wenn sie sich tatsächlich aus dem Hotel gestohlen hätte und durch ein Portal im Nirgendwo gelandet wäre, allein und ohne Hilfe … nicht auszudenken! Es lauerte Schlimmeres in dieser Sphäre als Grünauges Bande, auch wenn sie das bis vor Kurzem noch lautstark dementiert hätte. Erst jetzt wurde ihr klar, warum die Menschen in Dämmer-Detroit so gut wie nie ihre Wohngegenden verließen. Es war ja schon lebensgefährlich, mit dem Auto eine Straße entlangzufahren! Das war ihr nur nie aufgefallen, weil die Festung des Buchstabensammlers einen Katzensprung vom Tor entfernt lag.
    Dieses Abenteuer hätte böse enden können, wäre Santino nicht aufgetaucht. Nur zurück nach Níval wollte sie ihn nicht begleiten. Und bei aller Dankbarkeit, sie konnte ihm nicht verzeihen, dass er sich auf die Seite ihres Vaters schlug und Eoghan half, sie in die miese Heirat zu zwingen.
    Ken war der einzige Lichtblick, seit Santino sie aus Grünauges Gewalt befreit hatte. Ohne die Schwellungen und Schrammen im Gesicht sah er auch nicht mehr nur exotisch aus, sondern richtig hübsch. Verstohlen musterte sie ihn aus den Augenwinkeln. Seine Haare kringelten sich auf den Schultern. Ein paar widerspenstige Strähnen fielen ihm in die Stirn, eine Winzigkeit zu lang, wie Federn im Wind. Ein golddunkler Bartschatten schimmerte ihm auf Kinn und Wangen. Ihr gefielen seine fein gezeichneten Brauen und seine Augen und die dunklen Wimpern. Außerdem, wenn sie ehrlich war, genoss sie es sehr, wie er sich um ihr Wohlergehen bemühte.
    Verflixt, sie musste sich konzentrieren! Was also, wenn der Buchstabensammler

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