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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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weiß wie gezwungen hatte, ächzte unter dem Gewicht des Wagens. Die Schlucht war breit! Mindestens doppelt so breit wie der geisterverseuchte Freeway. Der Feuerschein enthüllte Zelte entlang des Abgrunds. Menschen liefen dazwischen herum. Über der Erdspalte schwebte eine schwarze Masse.
    Der Wagen sackte zweimal hart durch, als sie auf der anderen Seite wieder auf dem Asphalt aufsetzten.
    Mehr von der Masse wurde sichtbar. Eine Art Gebäude. Die untere Seite glich einer gigantischen Baumwurzel, die gerade aus der Erde herausgerissen worden war. Klumpen hingen herab, verbogene Rohre, Stahlgitter, ganze Mauerstücke. Vor den flackernden Feuern war nicht viel mehr zu erkennen als schwarze Silhouetten. Und plötzlich begriff sie, was es war.
    »Das ist die Festung«, flüsterte sie. »Die Festung des Buchstabensammlers.«
    »Was ist damit?«, fragte Ken.
    »Deshalb bin ich überhaupt hierhergekommen!« Die Erleichterung schnürte ihr die Kehle zu. »Er ist gar nicht fortgegangen! Er ist noch hier!«

    Santino rieb sich die Haut unter dem Armreif. Die Brücke zu bauen hatte ihn Kraft gekostet, und immer noch pulsierte das Metall unter den Echos chaotischer Magie. Glücklicherweise kühlte es so rasch wieder ab, wie es sich aufheizte. Trotzdem hatten die Schlaufen aus Orichalcum Verbrennungen hinterlassen, die noch tagelang schmerzen würden.
    In Rupertins Augen funkelte eine neue Art von Respekt. Gut so, dachte Santino mürrisch. Dann kam der Bastard wenigstens nicht im letzten Moment auf dumme Gedanken.
    Die Devora, die der Spalt ausgespien hatte, riss Erinnerungen ihn ihm auf, die er lieber für alle Zeit begraben hätte. Es war lange her, dass er eine Verschlingerin gesehen hatte. Sehr lange. Und er legte keinen Wert darauf, noch hier zu sein, wenn sie zu fressen begann.
    »Wer hätte das gedacht, was?« Rupertin knallte mit den Zügeln. Die Kelpies verfielen in Trab. »Dass die verfluchten Imperialen einen Weg in die Dämmerschatten finden? Und dann ist’s nur ein Katzensprung zum Kern und in die schönen Welten des Scharlachrot. Da werden die Pfeffersäcke im Hauptquartier sich in die Hosen machen!«
    »Was wisst Ihr denn über die Kjer?« Unwillkürlich spannte Santino sich an.
    »Ich hab in ihrer Kaiserstadt Handel getrieben, direkt an den Gestaden der Ewigen Ozeane! Und bei allen Teufeln der infernalischen Schluchten, sie machen mir eine Gänsehaut. Versteht Ihr? Eine Gänsehaut, mir, Rupertin Hufschwinge!« Seine Stimme sank zu einem verschwörerischen Tonfall herab. »Aber erzählt’s bloß keinem. Ich habe einen Ruf zu verlieren.«
    Der Kerl war fraglos verrückt. Aber das war ihm schon klar gewesen, als er die Kelpies auf dem Hof gesehen hatte.
    »Und jetzt hat sich eine ihrer Bestien bis in die Dämmerschatten vorgefressen. Ist das zu glauben? Ich dachte, ich trau meinen Augen nicht, als dieser dreimal verfluchte Spalt am Himmel aufreißt. Hab ja geahnt, dass was nicht stimmt, lag schon seit Wochen in der Luft. Wie die Gespinstgeister verrücktspielen und alles. Aber das? Wer konnte das ahnen? Wie haben die bloß hierher gefunden?«
    Die Faust um Santinos Magen presste sich fester zusammen.
Es ist alles deine Schuld.
Rhonda, mit tränenverschmiertem Gesicht, die Hände voller Blut.
Allein deine Schuld.
    »Da entlang«, sagte er.
    Rupertin riss an den Zügeln. Der Wagen schleuderte um eine Kurve. Vor ihnen tauchte das Depot auf. In der Ferne loderten Feuer, ab und an glitt das Scheinwerferpaar eines Autos durch die Nacht. Doch sie begegneten keinem weiteren Menschen, nicht einmal den Banditen, die Marielle entführt hatten. Direkt vor der breiten Treppe mit den Eingangsportalen hielt Rupertin an.
    »Also gut«, sagte er. »Ich habe meinen Teil des Handels eingehalten. Jetzt gebt mir den Schlüssel.«
    »Gleich.« Santino sprang vom Kutschbock, zog die Pistole und lauschte in die Nacht. Eine trügerische Ruhe lag über der Ruine. Wind raschelte im Gras. In der Ferne jaulten die Spalthunde. Das urtümliche Gebrüll der Devora erschütterte das Firmament, doch er schrak nicht mehr zusammen wie beim ersten Mal. Die Bestie hungerte und rief zur Jagd.
    Ein kleiner Vorgeschmack, denn bald würden die Reiter der Kjer folgen, mordend und brandschatzend, bis nur noch Asche unter den Hufen ihrer Pferde verwehte. Das Ende dieser Welt und ihrer Bewohner. O Sarrakhan, wie er sie hasste. Wie abgrundtief und glühend er sie hasste. Beinahe konnte er Rhonda verstehen, die sogar ihre Liebe für den Hass verkaufte.
    Er

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