Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
zusammen, um nicht laut zu schreien und unter dem Schmerz in die Knie zu gehen.
    Doch ungeachtet des Schicksals, das gerade ihre Rudelgenossen ereilt hatte, stürmten mehr von den schwarzen Schatten auf ihn zu. Und hinter ihnen, von einer grünlichen Korona umgeben, folgte etwas Großes. Eine gewaltige Kreatur, unter deren Galopp die Erde erzitterte.
    Angst überfiel ihn beim Anblick der Devora. Er hatte sie gesehen, aber nie zuvor gegen eine gekämpft. Er bezweifelte, dass er gegen so ein Untier bestehen konnte. Also drehte er sich um, gab Fersengeld und hoffte, dass der Schleier des Buchstabensammlers hielt, was Marielle versprochen hatte.
    Ken und die Prinzessin rannten ein Stück vor ihm. Er holte sie ein, gerade als sie den Rand der Schlucht erreichten.
    »Schnell!« rief er ihnen zu. »Da ist was Großes im Anmarsch!«
    »Moment.« Marielle hob den Kopf zur Festung, die Augen geschlossen, die Stirn in Falten gelegt.
    Ein rötlich gefleckter Spalthund, der schneller war als die anderen, sprang auf sie zu. Santino packte das Schwert mit beiden Händen und stoppte die Bestie mit einem Hieb, die sie fast in zwei Hälften teilte. Jaulend und quietschend stürzte die Kreatur in den Abgrund.
    »Okay. Macht einfach, was ich mache.« Marielle rannte ein Stück die Schlucht entlang, bis sie auf halber Höhe der Festung war. Der nächste Hund schloss zu ihnen auf. Santino zog die Pistole und feuerte, während er selbst zu laufen begann. Marielle stoppte genau vor einer Kabelschlaufe, die so dicht über dem Boden hing, dass sie sie mit der Hand berühren konnte. Sie holte kurz Anlauf und sprang … in den Abgrund. Durch die Schlaufe hindurch. Ken schrie etwas. Dann war sie verschwunden.
    »Ihr nach!«, brüllte Santino. »Spring! Durchs Kabel!«
    Ken zögerte noch einen Moment länger. Der Spalthund hechtete auf sie zu. Santino erwischte ihn mit der Spitze seiner Klinge und lenkte den Körper von seiner Flugbahn ab. Ken hob den Korb mit den Kätzchen und schleuderte ihn Marielle hinterher. Dann nahm er Anlauf, das Gesicht eine Maske schieren Entsetzens. Doch er sprang, Sarrakhans Gnade, er sprang. Ein roter Fellball blitzte auf und verschwand.
    Santino hechtete ihnen nach. Kälte spülte über ihn hinweg. Er sprang und fiel. Und landete auf einem Boden aus glänzend polierten Holzdielen.

8
    Kens Schritte verursachten kleine Echos auf dem blank gescheuerten Beton. Die Wärme innerhalb dieser Mauern, die Stille und das Dämmerlicht schufen eine Atmosphäre von Geborgenheit. Das Jaulen und Belfern der Spalthunde klang weit entfernt.
    Der mysteriöse Buchstabensammler war ganz offensichtlich nicht zu Hause, doch in einem Punkt hatte Marielle recht behalten. Der Schleier, oder was immer diese Festung nach draußen abschirmte, hielt die Spalthunde auf. Sie konnten nicht durch das Portal im Kabel springen. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sich Ken in Sicherheit. Und es war anders als im Lager der Ojibwe-Indianer. Auch dort hatten die Spalthunde nicht eindringen können. Aber hier fühlte er sich heimischer, weil das Depot in Sichtweite war und vor allem weil Marielle sich in diesem Labyrinth auskannte. Seit sie gestern Nacht hier gelandet waren, wirkte sie gelöst und fröhlich, wie er sie all die Tage nicht erlebt hatte. Als wären alle Sorgen und aller Groll einfach von ihr abgefallen. Sie war überzeugt davon, dass früher oder später der Buchstabensammler auftauchen würde, und dass sich damit alles zum Guten fügte, was immer das auch bedeuten mochte.
    Sie hatten die Nacht in einem Raum, groß wie eine Turnhalle, verbracht, und sich aus Kissen und Decken Bettstätten gebaut. Das Einzige, woran es in diesem merkwürdigen Domizil mangelte, waren Gästezimmer. Dafür war der Kühlschrank gut gefüllt, und Santino versicherte ihnen, dass er sich zur Not auch um Nachschub kümmern konnte.
    Der Magier hatte sich in die Küche ganz unten im Erdgeschoss zurückgezogen, um die Brandwunden an seiner Hand zu behandeln. Marielle aber führte Ken mit flammender Begeisterung durch die Etagen der schwebenden Festung. Und es war tatsächlich das Roosevelt Warehouse beziehungsweise das, was von seinen Fundamenten neben dem Depot verschwunden war. Oder jedenfalls die Dämmer-Detroit-Version davon.
    »Wow!« Ken blieb stehen, um die Papiervorhänge zu betrachten, die von den Querträgern herabhingen. Die Lagerhaus-Ruine, die er kannte, war ein verwahrloster Bunker gewesen, in den jemand zehn Kipplaster vermoderter Bücher geschüttet hatte.

Weitere Kostenlose Bücher