Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera

Vom Netzwerk:

waren. »Und warum glaubst du, dass wir dort sicherer vor den Bestien sind als anderswo?«
    »Weil er ein mächtiger Magier ist!«
    Er hob eine Braue.
    »Mächtiger als du!«
    Autsch.
    »Nein wirklich, er weiß alles. Es gibt nichts, was er nicht weiß. Und er kann seine Festung versetzen. Du hast es gesehen!«
    »Nichts habe ich gesehen.«
    »Der riesige Klotz, der über der Schlucht schwebt, stand vorher dort!« Sie deutete zu dem Loch im Boden, der sich neben dem Depot auftat. In der Ferne leuchteten winzige goldene Punkte. Die Fackeltonnen, die die Ränder der Schlucht säumten. »Wenn jemand weiß, wie wir hier rauskommen, dann er. Vielleicht weiß er sogar, wie man diese Relikte herstellt. Diese transportablen Portale.«
    »Hat dieser geheimnisvolle Magier einen Namen?«
    Sie zögerte.
    »Was ist?« Er stopfte ein Kätzchen zurück zwischen die Decken, das vorwitzigerweise aus dem Korb zu klettern versuchte. »Ich lerne ihn sowieso gleich kennen. Keine Angst, ich sage deinem Vater schon nichts.«
    »Der Buchstabensammler.«
    »Der Buchstabensammler«, wiederholte Santino. Es schlug eine Saite in ihm an, etwas, das er gehört oder flüchtig gelesen und wieder vergessen hatte. Der Buchstabensammler. Ein merkwürdiger Name. Einer, der leicht zu merken war. Es sei denn, die Begegnung lag so lange zurück, dass die Erinnerung verblasste. Und genau so fühlte es sich an. Wie eine Inschrift, die er vor tausend Jahren gesehen hatte. Ein Nebensatz in einem Folianten, in einer anderen Zeit, einem anderen Leben.
    »Und seine Festung ist von einem Schleier umgeben. Niemand kann rein oder raus, wenn er es nicht will.«
    »Das wäre zu gut, um wahr zu sein.« Er versuchte nicht, den Sarkasmus in seinen Worten zu verbergen. »Und warum hast du das nicht früher gesagt?«
    »Ich wollte ja!«, klagte sie. »Aber das Portal unter der Brücke hat uns ans andere Ende der Stadt versetzt. Wie hätten wir denn in die Festung kommen sollen?«
    Vor den Feuern zeichnete sich die Masse des schwebenden Bauwerks ab. Bei Sarrakhan, was für ein Monstrum! Gegen seinen Willen war er beeindruckt. Das Ding aus der Erde zu reißen und dann schwebend über einer Schlucht zu stabilisieren, das erforderte schon mehr als nur ein wenig Potenzial, und dazu jede Menge Erfahrung. Selbst hier in den Dämmerschatten. Er bezweifelte, dass er selbst das hinbekommen hätte, ohne auf halber Strecke ohnmächtig zu werden, weil die Schmerzen einer verbrannten Hand ihn überwältigten. Oder ohne das Ding in tausend Stücke zu sprengen.
    Das hier war das Werk eines Zirkelmeisters. Oder eines Magiers mit vergleichbaren Fähigkeiten, von denen Santino in seiner ganzen, Jahrtausende dauernden Existenz nur drei oder vier getroffen hatte. Die Bastarde vom Imperialen Kreis mal ausgenommen.
    Und Marielle, dieser unberechenbare, kleine Irrwisch, die mit ihrer Macht hantierte wie ein Kind mit bunten Bällen, hatte sich mit dem Kerl, dem dieses Ding gehörte, angefreundet. Schlimmer, sie hatte es geschafft, die Allianz geheim zu halten. Wie wahrscheinlich noch jede Menge anderer Dinge, dachte er missmutig. Wie war er jemals auf den Gedanken gekommen, er könnte ihr einen Schritt voraus sein?
    Zu ihrer Linken flammte Gebell auf und riss ihn aus seinen Gedanken. Dann sah er auch die Schatten, die ihnen folgten. So viel zu dem Plan, sich unbemerkt wieder davonzuschleichen.
    Er drückte Ken den Korb mit den Kätzchen in die Hand. »Los, lauft!«
    Zum Glück diskutierten sie nicht, sondern nahmen die Beine in die Hand. Er zog das Schwert aus der Scheide und hob mit einem Seufzer die schmerzende Hand. Er hasste die Biester. Das tat er wirklich.
    Die Hunde schossen auf ihn zu wie schwarzgefiederte Armbrustbolzen. Er konzentrierte sich und spürte, wie das Gewebe sich um ihn zusammenzog. Energie schwoll darin an. Die Haut unter seinem Armreif brannte.
    Als die Tiere sich bis auf zwei Dutzend Schritte genähert hatten, strich er über die Fäden, die nun straff gespannt vibrierten. Er sah das gesträubte Nackenfell der Bestien, die spitzen Ohren und die weit aufgerissenen Rachen. Er malte sich die Explosion vor seinem geistigen Auge aus, die Flammen, die die Bosheit verzehrten, sah die glühende Hitze, unter der jedes Ding zu Asche zerfiel. Das Gewebe fügte sich seinem Willen. Mit einem Ruck löste sich die Explosion, brüllten die Flammen, verzehrte die Hitze Fell und Knochen. Ein Vorhang aus Feuer raste über das Rudel hinweg. Das Schwert brauchte er nicht. Er biss die Zähne