Purpurfalter
Tanz, aber er ist es wert.“ Liebevoll streichelte er ihren Rücken. „Euer rechtes Auge schwillt bereits ab.“
Loreena wich seinem Blick aus. Sie versuchte die Gesichter der anderen Tänzer zu deuten. Mit finsteren Mienen beobachteten sie die beiden, missbilligend und verstimmt. Dann sah Loreena Graf Schomul. Seine Haltung nahm etwas Animalisches an, als wäre er bereit sie anzuspringen. Seine Augen funkelten vor Wut. Loreena spürte, dass er sich krampfhaft zurückhielt, um nicht in ihre Richtung zu stürzen und Mogall und sie auseinander zu reißen. Sein Arm umfasste Amorgenes Wespentaille. Es sah fast so aus, als würde er sich an ihr festhalten, um nichts Unüberlegtes zu tun. Weshalb musste Loreena nur immer wieder etwas tun und Ärger heraufbeschwören? Erst die unpassende Ballrobe. Nun der Tanz mit einem Vampir. Dabei musste dringend Ruhe einkehren, damit Küstenmark seinen Angriff auf Wölfing vorbereiten konnte. Der Anschlag sollte nicht öffentlich geplant werden. Zumindest vorerst war es hilfreicher, hinter den Kulissen zu operieren. Amorgene flüsterte Graf Schomul etwas ins Ohr, worauf dieser Loreena erbost ansah.
Ängstlich widmete sich Loreena Mogall. „Dieser Tanz bringt uns in Teufels Kü…“
„Psst!“ Sanft legte er seinen Zeigefinger an ihre Lippen. „Lasst uns nicht reden, sondern diesen Tanz genießen.“
Loreena wollte widersprechen, wollte sich von ihm losreißen, aber sie besaß keine Kraft. Hatte sie noch beim Betreten des Saals den aufmüpfigen Schalk im Nacken verspürt, so fühlte sie sich nun auf einmal benommen. Konnte sie sich auf der Ebene Fallbö eine Erkältung zugezogen haben? Oder peinigte sie die Furcht vor der kommenden Schmach?
Sie krallte die Finger in seinen linken Oberarm, da sie fürchtete, ohnmächtig zu werden. Mogalls Lächeln schien eingefroren zu sein. Es rückte mal in die Ferne, mal kam es näher. Seufzend legte sie den Kopf in den Nacken. Als sie die Deckenmalerei betrachtete, erschrak sie. Die gemalten Werwölfe verfolgten fliehende Menschen, die ihre Panik herausschrien. Gierig hieben die Bestien ihre Hauer in das Menschenfleisch, trennten Arme ab und zerfetzen Bäuche. Därme wickelten sich um den Kronleuchter. Blut tropfte von der Decke. Mogall! Er stand genau darunter. Mit weit aufgerissenen Augen musterte Loreena den Vampir. Sie betrachtete seinen blonden Haarschopf, seinen grünen Samtanzug, sein wächsernes Gesicht. Ihre Hände glitten über seine Schultern. Nichts! Kein einziger Blutstropfen. Sie strich sich verstört über die Augen. Müde war sie nicht. Betrunken auch nicht. Was also…
Graf Schomul unterbrach ihre Gedanken. Er stand breitbeinig auf der Tanzfläche und klatschte in die Hände. Das Orchester verstummte. Lediglich der Mann mit der Trompete spielte noch ein paar Takte weiter, bevor auch er sein Spiel beendete.
„Es ist so weit, liebe Gäste.“ Schomuls Stimme klang dumpf, obwohl er nicht weit von Loreena weg stand.
„Amorgene wird uns nun eine Vorführung bieten, die außergewöhnlich ist, da eine Person mitwirken wird, von der niemand es vermutet hätte.“
Loreenas Wangen glühten. Zwei in Fell gekleidete Hünen ergriffen ihre Oberarme. Als wäre sie leicht wie eine Feder rissen sie Wors Tochter aus den Armen Mogalls und trugen sie auf die Tanzfläche. Hektisch strömten die Tanzenden zu ihren Tafeln. Neugier spiegelte sich auf ihren Gesichtern wider. Sie glotzen und stierten.
Loreena wandte sich angewidert an Amorgene. Die Vampirin stand rechts von ihr und schwang eine Lederpeitsche.
„Euer garstiges Grinsen schüchtert mich nicht ein“, zischte Loreena.
Störrisch zog sie an ihren menschlichen Fesseln, doch die Männerpranken hielten sie fest. Die Hünen stanken nach Jauche. Ihre Augen waren blutunterlaufen. Loreena blickte über die Schulter. Amorgenes Helfershelfer, zwei zwielichtige Gestalten – ein verkrüppelter Greis mit linkisch zusammengekniffen Augen und ein Vermummter, der einen rothaarigen Skalp an seinem Gürtel trug – bauten die Requisiten auf. Das Orchester verschwand durch einen Nebeneingang. Was kam nur auf Loreena zu? Fragend blickte sie zu Schomul, der mittlerweile an Wors Tafel Platz genommen hatte. Mit erstarrter Miene verfolgte er das Geschehen auf der Tanzfläche.
Plötzlich bemerkte Loreena, dass die Atmosphäre sich seltsam verändert hatte. Der Saal glich einem Tollhaus. Im Gegensatz zum Grafen feierten die Gäste ein stimmungsvolles Fest. Sie prosteten sich lauthals zu. Die
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