Purpurfalter
Sagen, Hirngespinste.
Ein kaum vernehmbares Knarren im Unterholz ließ alle herumfahren. Die Blicke richteten sich gen Norden. Hatte man das Heer Ingrimms in einen Hinterhalt gelockt? Hockte dort eine monströse Bestie, bereit, jeden Augenblick die Männer anzufallen? Nichts geschah. Unruhiger als zuvor setzte das Corps die Reise fort. Wie konnten die Männer gelassen bleiben mit der Grenze von Frostlande im Norden und Wölfing, der Hauptstadt Valkenhorsts, im Süd-Osten? Sie befanden sich zwischen zwei Todfeinden. Wenn auch eine Armee Vampire an der Seite der ingrimm’schen Krieger ritt, so war das Band, das sie vereinte, nicht freundschaftlicher Natur.
Loreena meinte ein Scharren zu vernehmen. Oder war dies nur eine Illusion, erzeugt durch Furcht? Sie schaute zum Himmel. Dunkelgraue Regenwolken schienen knapp über den Baumwipfeln zu hängen. Unaufhörlich nieselte es. Kein Wind wehte, um die Wolken zu vertreiben. Nicht einmal eine Brise brachte den Wald zum Leben. Versteckten sich die Tiere? Erwachten sie nur bei Nacht, wie man es den Werwölfen nachsagte?
Werwölfe existieren nicht! Zur Erinnerung kniff sich Loreena in den Handrücken.
Ihr Blick schweifte gen Süd-Osten. Vielleicht konnte sie die Hauptstadt Valkenhorsts von Weitem sehen. Sie erinnerte sich an Wölfing mit der Wolfsburg, deren Treppe steinerne Bestien säumten; den Ort des Schreckens, an dem sie Graf Schomul das erste Mal traf und ihm das Reich Ingrimms zu Füßen legte.
Angewidert wandte sich Loreena ab, obwohl die Bäume nicht einmal die Sicht auf eine Turmspitze freigaben. Automatisch schaute sie nach Norden. Nur einen halben Tagesritt entfernt verlief die Grenze der nördlichen Krisis und Frostlandes mit seinen starken Verbündeten, dem Schnee und Eis. Das Heer Ingrimms mochte die frostländischen Grenzwachen überrumpeln. Aber würden die Männer, verwöhnt durch 260 Tage Sonne im Jahr, Kälte und Frost trotzen können? Loreena war sich nicht einmal klar, was sie im Norden von Valkenhorst erwartete, geschweige denn in der Hauptstadt Firn.
So zog der Tag an ihnen vorüber, ohne dass sie etwas anderes als Bäume sahen. Aber es geschah auch nichts Unerwartetes. Langsam ritten die Pferde hintereinander. An Trab oder Galopp war unter diesen Umständen nicht zu denken.
Artin, der vor Loreena ritt, fluchte immer wieder. „Verdammt! Bei dem Tempo kommen wir nie nach Firn.“
Endlich tat sich eine große Lichtung vor ihnen auf. Mogall gebot ihnen Einhalt. „Dies ist der Ankerle Fluss. Hier werden wir unser Nachtlager aufschlagen. In den Morgenstunden ziehen wir weiter zum Nordalp Gletscher.“ Die Reiter scharten sich um ihn.
„Wir sollten bis Nordalp durchreiten.“ Artin riss an den Zügeln. Sein Pferd bäumte sich auf. Wiehernd stellte es sich auf die Hinterhufe und schüttelte wild die Mähne.
Loreena beobachtete, wie Mogall amüsiert lachte und schmunzelte ebenfalls. Der junge Gefolgsmann konnte sein heißsporniges Gemüt einfach nicht unter Kontrolle bringen.
Lächelnd kraulte Mogall seinen Spitzbart. „Würden wir bis zum Gletscher durchreiten, Artin, wären unsere Kräfte aufgezehrt. Die Feste Nebelhorn unter diesen Umständen anzugreifen, wäre eine tödliche Torheit. Und eine tagelange Rast am Fuße Nordalps ist aufgrund der knappen Rationen undenkbar.“
König Wor ritt auf. Wankend saß er auf seinem Pferd - bleich wie die Leiche seiner Frau Rominda, als diese aufgebahrt in der Familiengruft gelegen hatte, damit das Reich nach ihrem Scharlachtod Abschied von ihr nehmen konnte.
„Lange können wir uns im Norden nicht aufhalten. Kälte und Eis würden uns dahinraffen.“
Artin ließ seinen Gaul weiterhin nervös trippeln. „Es ist noch lange nicht dunkel. Wir sollten zumindest weiterreiten bis die Nacht hereinbricht. Wir verschwenden Zeit.“
Mogall glitt vom Pferd herunter. „Im Ruten Hain, jenseits des Ankerle Flusses, dürfen wir nicht übernachten.“
Kaum hatte er dies ausgesprochen, flüsterte Klavorn ängstlich und dennoch ehrerbietig neben ihm: „Rappaschumah.“
Die Armee Valkenhorsts sprang ebenfalls von ihren Gäulen. Mogall reichte Klavorn seine Zügel. „Obwohl wir noch in der östlichen Krisis sind, sollten wir im Schutz des Waldes unser Lager aufschlagen. Dort drüben beginnen bereits die Felder der Siedlung Föhn.“
Mit dem Haupt deutete er über den Ankerle Fluss hinweg.
„Morgen Früh legen wir das letzte Stück zurück und galoppieren bis Nordalp durch. Übermorgen ist mein Sohn Lomas bereits
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