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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Heftigkeit, daß sie spitze Schreie ausstieß, als wäre sie zum erstenmal mit einem Mann zusammen.
    Nachdem sie sich erschöpft voneinander gelöst hatten, lagen beide schwer atmend da, den Blick zur Decke gerichtet, auf das die Zimmerlampe ein Strahlenmuster projizierte.
    »Darf ich dich etwas fragen?« sagte Mirandolina.
    »Ja, sicher.«
    »Die junge Frau, mit der du hier wohnst …«
    »Ich bin nicht mit ihr verheiratet«, unterbrach Brodka. »Wir sind frei – sie und ich.«
    »Warum versteckt ihr euch dann hier?«
    Brodka schaute sie verdutzt an. »Woher weißt du …?«
    »Es ist nicht schwer zu erraten, daß ihr zwei hier keinen Urlaub macht. Was ist mit dir und deiner Freundin? Oder sollte ich diese Frage besser nicht stellen?«
    Brodka ließ das Schattenspiel an der Decke nicht aus den Augen und dachte nach. »Natürlich darfst du fragen«, sagte er schließlich, »nur kann ich dir keine Antwort geben. Könnte ich es, wären alle meine Probleme gelöst. Du hast recht. Ich verstecke mich hier. Vor einer Organisation im Vatikan, die nicht weniger gefährlich ist als die Mafia. Ihre Mitglieder sind Kardinäle und andere Würdenträger.«
    »Und was hast du mit diesen Leuten zu schaffen?«
    Brodka erzählte ihr die Geschichte in kurzen Worten. »Und deshalb haben wir uns hier eingemietet, verstehst du?« endete er. »Hier fühle ich mich einigermaßen sicher.«
    Mirandolina strich Brodka über das Haar. So ganz glaubte sie seinen Worten nicht. Sie klangen zu abenteuerlich. Dennoch sagte sie: »Armer Brodka.«
    Das klang merkwürdig in seinen Ohren und irgendwie nach Bedauern, und wenn Brodka etwas nicht leiden konnte, dann war es, bedauert zu werden. Dennoch genoß er ihre zärtlichen Berührungen.
    »Darf ich dir auch eine Frage stellen?« meinte er schließlich.
    »Natürlich.«
    »Hast du wirklich so große Angst vor Gewittern?«
    Mirandolina drehte ihren Kopf zur Seite, damit er ihr verlegenes Lächeln nicht sehen konnte. »Wenn ich ehrlich sein soll, nicht mehr als vor der bösen Hexe.«
    »Ich dachte es mir.«
    »Du nimmst es mir doch nicht übel?«
    »Vielleicht doch.«
    »Bitte nicht! Es war die einzige Möglichkeit, dir näherzukommen. Bist du enttäuscht?«
    »Enttäuscht?« Brodka beugte sich über sie. »Aber nein. Ich bin glücklich.« Es klang nicht ganz überzeugend.
    Mirandolina schwieg nachdenklich. »Vielleicht kann ich dir helfen …«, sagte sie schließlich.
    »Das ist viel zu gefährlich«, erwiderte Brodka.
    »Nicht, solange wir hier in Sicherheit sind.«
    »Ich muß darüber nachdenken«, murmelte Brodka. »Ich muß über vieles nachdenken …«
    Pünktlich um 9 Uhr 25 landete die Alitalia-Boeing aus Rom auf dem Flughafen Marco Polo. Der Flughafen von Venedig, direkt am Meer gelegen, war um diese Zeit zum Glück noch nicht überfüllt wie um die Mittagszeit, wenn die ersten Chartermaschinen eintreffen.
    Brodka und Sydow zogen es vor, den Bus zur Piazzale Roma zu nehmen, der schneller war als der zwar romantische, aber nur alle Stunden verkehrende Motoscafo . An der Piazzale Roma bestiegen sie den Vaporetto , der sie direkt zum Rialto brachte.
    Für die Schönheiten der Stadt, die malerischen Palazzi mit ihren Spitzbogenfenstern, hinter denen tausend Geheimnisse schlummerten, die schwarzen Gondeln auf dem Canale Grande, den bunten Gemüsemarkt direkt neben der Brücke, den Fischmarkt, wo Muscheln, Rochen, Seewalzen und Tintenfische einen durchdringenden Geruch verströmten – für dies alles hatten sie keinen Blick. Brodka und Sydow interessierte allein die Ruga degli Orefici , die Straße der Goldschmiede, die vom Ponte di Rialto geradewegs nach Nordwesten führt, vorbei an San Giacomo mit der ungenauesten Kirchturmuhr der ganzen Stadt, da sie seit 1410 nur einen einzigen Zeiger besitzt.
    An der Straße der Goldschmiede, an der sich Obst- und Lederwarenstände reihten, hatte sich einst das Atelier des Fotografen Gamber befunden. Auf dem geheimnisvollen Foto, das Brodka bei sich trug, war keine Hausnummer verzeichnet. Also drängten sie sich – jetzt, kurz vor Mittag, herrschte an den Marktständen Hochbetrieb – zuerst die rechte Straßenseite entlang bis zur Ruga Vecchia San Giovanni, wo die Straße endet, und von dort auf der gegenüberliegenden Straßenseite zurück zu ihrem Ausgangspunkt. Einen Laden oder auch nur ein Schild, das auf einen Fotografen hinwies, fanden sie nicht.
    Bei einer schwarz gekleideten alten Mama, die mit zwei überquellenden Einkaufstaschen die

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