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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Situation begegnete. Ihr Vorschlag war verlockend. Jedenfalls mußte er auf schnellstem Wege untertauchen.
    »In Ordnung«, sagte er schließlich.
    In aller Eile packte er ein paar Kleidungsstücke in eine Tasche. Im Schrank blieben Juliettes Kleider zurück. Sie hinterließen bei Brodka ein merkwürdiges Gefühl; aber es blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Auch das Zielfernrohr verstaute Brodka in der Reisetasche. Dann stiegen sie in Mirandolinas Lancia und fuhren los.
    Es war fast Mitternacht, und auf dem schmalen, dunklen Weg, der steil abwärts zur Hauptstraße führte, war niemand zu sehen. Als sie die Straße erreicht hatten, vergewisserten sie sich, daß sie nicht verfolgt wurden.
    Nach einer knappen Stunde Fahrzeit kamen sie in Ostia an, einer Stadt, die nicht zu den schönsten Italiens zählt. Doch bei Nacht war Ostia ein Alptraum: Straßenschluchten mit vielstöckigen, alten Wohnblocks, spärlich beleuchtete Plätze, überquellende Mülltonnen am Straßenrand, auf denen Katzen nach Nahrung suchten, und zahllose verwaiste Baustellen.
    »Keine Bange«, meinte Mirandolina angesichts von so viel Scheußlichkeit, »Tante Gracia wohnt etwas außerhalb in Richtung Lido.«
    Wenig später erreichten sie das alte, an einer ruhigen Seitenstraße gelegene Haus, das hinter Pinien und Sträuchern verborgen war. Mirandolina läutete und machte sich durch Rufen bemerkbar. Nach langem Warten erschien Tante Gracia in einem langen weißen Morgenmantel. Als sie ihre Nichte erkannte, fragte sie aufgeregt, was passiert sei.
    Mirandolina schilderte die Situation und fragte, ob Brodka für ein paar Tage bei ihr bleiben könne. Gracia, eine hochgewachsene, resolute alte Dame mit langen ergrauten Haaren, verwünschte die heutige Zeit, in der nur Mörder und Strauchdiebe ihr Unwesen trieben. Dann bat sie die beiden ins Haus, musterte Brodka mit sichtlichem Wohlgefallen und erklärte, ›der Freund ihrer Nichte‹ könne bleiben, so lange er wolle.
    Das Haus wirkte alles andere als einladend. In den kahlen, hohen Räumen hatte sich der Mief von Jahrzehnten eingenistet. Doch es war Brodka herzlich egal. Hauptsache, er war erst einmal aus der Schußlinie.
    Mirandolina zog es vor, noch in der Nacht nach Nemi zurückzukehren.
    »Hast du keine Angst, der Kerl könnte dir noch auflauern?« fragte Brodka. »Ich lasse dich nur ungern allein zurückfahren.«
    »Allein bin ich sicher genug. Der Schütze hatte es auf dich abgesehen. Nur meinetwegen wird er kein Risiko eingehen. Und außerdem mache ich mir Sorgen um Lohengrin; ich muß mich um ihn kümmern.«
    Zum Abschied umarmten sich beide innig. Die alte Dame sah es mit Wohlgefallen, weil ihr der tedesco gefiel und sie schon lange die Ansicht vertrat, daß ihre Nichte einen anständigen Mann brauchte.

K APITEL 17
    Karfreitag. Wie in jedem Jahr entfachte die Karwoche im Vatikan ein klerikales Chaos. Priester aus aller Welt lasen Messen am Fließband. Während die Glocken schwiegen, hallten Gregorianische Gesänge durch die Gewölbe und steigerten sich zu einem berauschenden Furioso masochistischer Töne. Der Tag der Operation ›Urbi et Orbi‹ rückte näher.
    Der Plan war bis ins kleinste Detail ausgearbeitet: Der Papst, ein liberaler Schwächling, der, wäre es nach seinem Willen gegangen, den Zölibat aufgehoben und die Kirche in ein modernes Zeitalter geführt hätte, sollte sterben. Er würde beim Ostersegen Urbi et Orbi auf der Loggia von St. Peter lautlos zusammenbrechen, und noch am selben Tag würde das Konklave einberufen, das den neuen Papst zu wählen hatte. Daß er Smolenski heißen würde, stand so gut wie fest. Mit Millionensummen und Ämterversprechungen hatte er die Mehrheit der Kardinäle auf seine Seite gebracht.
    Skrupel kannte Smolenski nicht. Ihm und der Purpur-Mafia ging es um nichts anderes als den Machterhalt der Kirche. Für diese Männer gab es keinen Zweifel, daß die Kirche nur fortbestehen konnte, wenn sie sich so verhielt wie in den zweitausend Jahren zuvor. Zwar war die Menschheit in dieser Zeitspanne um keinen Deut besser geworden, aber das war auch nicht die Absicht des Klerus. Die Kirche durfte keinesfalls zu den Menschen herabsteigen – im Gegenteil, die Menschen mußten zur Kirche emporschauen. Und das bedurfte mittelalterlicher Strenge. Menschlichkeit war da fehl am Platz.
    Am Vormittag des Karsamstags trafen Smolenski und sein Sekretär Polnikov noch einmal im Büro des Kardinalstaatssekretärs zusammen, um jeden einzelnen Punkt abzuhaken.
    Jan

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