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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Gerüst.
    Die Explosion hatte einen in der Nähe befindlichen Scheinwerfer in Mitleidenschaft gezogen, so daß das Gerüst im Unterschied zur Fassade in Dunkelheit gehüllt war. Polnikov kletterte auf die Plattform, wo er seinen Koffer öffnete und die in Einzelteile zerlegte Tokarev-Wunderwaffe herausnahm.
    Inzwischen hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und Polnikov suchte die Umgebung ab, ob es keinen Zeugen des bedeutsamen Unternehmens gab. Dabei fühlte er sich an seine große Zeit beim KGB erinnert, als derartige Aufgaben beinahe alltäglich für ihn waren. Das war lange her und hatte ihm zu seinen regulären Einkünften respektable Prämien eingebracht. So gesehen hatte er sich in seinem klerikalen Leben verschlechtert; aber das gehörte nicht hierher.
    Mit der ihm eigenen Akkuratesse begann Polnikov die Waffe zusammenzuschrauben. Seine Taschenlampe brauchte er nicht, denn er kannte jeden Handgriff auswendig. Er hätte die Aufgabe sogar mit verbundenen Augen bewältigt. Das ganze dauerte nur Minuten.
    Wie erwartet gestaltete sich die Installation der beiden Tellerstative, auf denen das LZ 803-Gewehr verschraubt werden mußte, am schwierigsten. Auf Holzbohlen ging diese Arbeit leichter vonstatten. Die modernen Gitterroste hingegen, die dem Gerüst als Plattform dienten, erwiesen sich als äußerst ungünstig, was die Verschraubung der Stative betraf. Immerhin mußten sie für den Bruchteil einer Sekunde einem Rückschlag von einer Tonne pro Quadratzentimer standhalten, und dabei durften sie sich um keinen Millimeter verschieben.
    Polnikov befestigte die dafür vorgesehenen Schraubzwingen mit aller Kraft, die sein untersetzter Körper aufbrachte. Dann nahm er die Schußapparatur, die nun, im gebrauchsfertigen Zustand, beinahe zwei Meter lang war, mit einem herkömmlichen Gewehr jedoch nur den langen Lauf gemein hatte. Er setzte sie auf die beiden Stativköpfe und zog die verchromten Flügelmuttern fest, nachdem er den Lauf auf die Mitte der Fassade von St. Peter gerichtet hatte.
    Vorsichtig, beinahe liebevoll, schob Polnikov nun die Zielapparatur in die dafür vorgesehene Gleitschiene. Das Spiegelfernrohr maß beinahe zehn Zentimeter im Durchmesser, was ihm eine enorme Lichtstärke verlieh, die es auch bei Nacht ermöglichte, das Zielobjekt anzuvisieren. Dies geschah durch ein Prismenobjektiv, das geschwenkt und sogar senkrecht nach oben ausgerichtet werden konnte.
    Polnikov blickte auf seine Uhr. Bis Urbi et Orbi waren es gerade noch 36 Stunden. Er war sich der Bedeutung seiner Arbeit bewußt; trotzdem zeigte er kein Anzeichen von Unruhe. Die Folgen würden weitreichend sein, und das erfüllte ihn mit Stolz.
    Mit einem hörbaren Geräusch rastete die Zielapparatur in die dafür vorgesehene Vorrichtung ein. Polnikov stellte das Prisma senkrecht nach oben und blinzelte hindurch. Zur Höhen- und Seiteneinstellung bediente er zwei Drehknöpfe aus poliertem Aluminium. Das Gewehr folgte jeder noch so winzigen Bewegung mit äußerster Präzision.
    Aus der Jackentasche zog er mehrere Pressefotos vom Segen Urbi et Orbi. Im Schein seiner Taschenlampe betrachtete er jedes einzelne. Die Balustrade der Loggia diente ihm als Anhaltspunkt für die Höhenverstellung; für die Seitenverstellung erwies sich das Portal im Hintergrund als hilfreich.
    Ein um das andere Mal verglich Polnikov das Blickfeld des Zielfernrohrs mit den Pressefotos, justierte nach und verglich erneut, bis er sich endlich, nach fast einer Stunde, zufriedengab. Behutsam spannte er eine Plane über die Apparatur und befestigte sie mit Klebeband.
    Jetzt war Polnikov sich seiner Sache sicher. Nun wußte er, daß von seiner Seite nichts mehr schiefgehen konnte. Behutsam legte er einen Kippschalter an der Rückseite des LZ 803 um. Das leise ›Klick‹, das der Schalter von sich gab, schien harmlos und unbedeutend im Vergleich zur Wirkung, die sich dahinter verbarg. Gleichzeitig leuchtete neben dem Schalter ein kleines grünes Lämpchen auf – das Zeichen der Bereitschaft, lautlos zu töten.
    Am Morgen erreichte Andreas von Sydow ein unerwarteter Anruf Schlaftrunken meldete er sich: » Pronto . Wer spricht?«
    Eine rauhe Stimme antwortete mit einer Gegenfrage: »Sind Sie der Reporter vom ›Messaggero‹?«
    Als Sydow unwillig bejahte, erklärte die Stimme: »Sie haben doch das ominöse Grab im Vatikan entdeckt, nicht wahr? Und die Geschichte von dem verrückt gewordenen Museumswächter aufgeklärt, stimmt's? Das alles ist harmlos im Vergleich

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