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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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zu den anderen Schweinereien, die dort ablaufen. Sind Sie interessiert, mehr zu erfahren?«
    Mit einem Mal war Andreas von Sydow hellwach. »Ja, natürlich, selbstverständlich!« stieß er hervor. »Aber weshalb rufen Sie mich an? Wer sind Sie?«
    »Mein Name tut nichts zur Sache. Und was den Grund meines Anrufs betrifft – ich möchte diesen Banditen im Vatikan das Handwerk legen.«
    »Banditen sagen Sie, Signore? Können Sie Namen nennen?«
    Auf Sydows Frage folgte ein langes Schweigen.
    »Namen! Fakten!« drängte Sydow. »Mit Andeutungen kann ich nichts anfangen.«
    Der Anrufer räusperte sich umständlich und sagte: »Verstehe. Können wir uns irgendwo treffen?«
    Obwohl er sehr aufgeregt war, zwang Sydow sich zur Gelassenheit. »Hören Sie, Signore, ich kenne Ihren Namen nicht, und Sie machen bloß irgendwelche Andeutungen. Was glauben Sie, wie viele Spinner bei mir anrufen und mir irgendeine Sensation verkaufen wollen, die sich dann als Seifenblase entpuppt. Wenn Sie nicht mehr zu berichten wissen …«
    »Legen Sie nicht auf!« Der andere wurde nervös. »Was ich Ihnen zu sagen habe, ist von größter Wichtigkeit.«
    »Dann reden Sie, verdammt noch mal!«
    Als der Anrufer schwieg, legte Sydow auf. Aus seiner Erfahrung als Zeitungsreporter wußte er, daß dies das einfachste Druckmittel war, jemanden zum Reden zu bringen.
    Tatsächlich dauerte es keine Minute, bis das Telefon erneut klingelte. Diesmal kam der Unbekannte ohne Umschweife zur Sache: »Die vatikanischen Gemäldesammlungen sind eine Anhäufung von Kopien. Raffael, Leonardo, Giotto – alles keine Originale!«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Weil ich die Kopien selbst gemalt habe.«
    Jetzt war die Sprachlosigkeit auf Sydows Seite.
    »Die Originale«, fuhr der Anrufer fort, »wurden nach Amerika, Japan und Deutschland verkauft. Und mit dem Geld wurde eine geheime Organisation aufgebaut, mit einer Kardinalsmafia an der Spitze. Ihr Ziel ist die unauffällige Beseitigung des Papstes. Genügt das?«
    »Können Sie beweisen, daß Sie die alten Meister kopiert haben?« fragte Sydow fassungslos.
    »Aber sicher!« Der Unbekannte lachte. »Ich habe jede meiner Kopien mit meinen Initialen versehen, winzig klein und an den unmöglichsten Stellen. Ich habe geahnt, daß es mir irgendwann von Nutzen sein würde.«
    Sydow vermochte seine Aufregung nur schwer zu verbergen. »Ich glaube Ihnen nicht«, sagte er. »Ich glaube Ihnen kein Wort.«
    »Na gut«, meinte der andere, »dann sehen Sie sich in den Vatikanischen Sammlungen das Porträt Papst Leos X. einmal näher an. Vor allem seinen Siegelring. Im Original trägt der Ring die Initiale L wie Leone.«
    »Dann war die Beobachtung des Museumswächters Meinardi an der Raffael-Madonna also richtig?«
    »Natürlich. Eine lächerlich schlechte Kopie. Nicht von mir. Ein Deutscher soll sie gemalt haben – ausgerechnet ein Deutscher! Mir wäre ein solcher Fehler nicht unterlaufen!«
    Sydow überlegte. »Wenn Sie für Ihre Information Geld wollen, muß ich Sie enttäuschen.«
    »Kein Geld. Ich will nur, daß Sie schreiben, was ich Ihnen sage. Wenn Sie wollen, können wir uns treffen. 21 Uhr an der Via Appia Antica , Monument des Commodius .«
    Noch ehe Sydow antworten konnte, beendete der unbekannte Anrufer das Gespräch.
    Von Berufs wegen zählte Andreas von Sydow nicht zu den Frühaufstehern. Er brauchte seine Zeit, bis er ansprechbar war. Der frühe Anruf, vor allem sein Inhalt, hatte ihn ziemlich durcheinandergebracht.
    Da klingelte erneut das Telefon. Brodka meldete sich aus Ostia und berichtete von seiner Flucht aus Nemi und dem versuchten Mordanschlag. Als Sydow ihm von dem unbekannten Anrufer erzählte, der auszupacken bereit sei, besaß der Fall plötzlich eine neue, ungeahnte Dimension. Sydow und Brodka verabredeten sich zur Mittagsstunde in der Eingangshalle der Vatikanischen Museen.
    Von den zahllosen Besuchern bemerkten nur Brodka und Sydow die Spannung, die in der Luft lag. Zielstrebig suchten die beiden Männer den Saal mit dem Porträt Leos X. auf. Für die anderen Kunstschätze hatten sie keinen Blick. Sydow wollte nur eine Bestätigung der Aussage des mysteriösen Anrufers.
    Als sie das Porträt Leos X. in Augenschein nahmen, erschien es ihm schlichtweg unmöglich, daß das Gemälde eine Kopie sein sollte. Der Siegelring des Papstes hatte nur die Hälfte der natürlichen Größe eines Fingerrings, zudem war das Siegel auf dem Bild perspektivisch verkürzt; dennoch konnte man die Initialen

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