Purpurschatten
vorsichtig.
»Ich kenne einige von ihnen«, erwiderte Titus großspurig. »Ich weiß, wo und mit wem sie verkehren. Ich kenne ihre Kontonummern und Paßwörter in der Schweiz und auf den Bahamas … kurz, ich weiß eher zu viel über diese Leute. Jetzt weißt du, warum ich es vorziehe, im Untergrund zu leben.«
Brodka blies die Luft durch die Lippen. Er schaute zu Juliette hinüber, die Titus' Worten nicht weniger betroffen gelauscht hatte. »Wovon lebst du?« fragte er schließlich, und er war sich der Peinlichkeit seiner Frage durchaus bewußt.
»Von dem, was Agostinos mir zukommen läßt«, antwortete Titus.
»Du weißt, was für Geschäfte Agostinos macht?«
»Er macht alles, was Geld bringt. Er ist Hehler, Schmuggler und Schleuser. Er ist ein Ganove, aber kein Verbrecher. Er würde nie jemanden umbringen …«
Allmählich füllte sich der Stephansdom mit schaulustigen Touristen.
»Ich bin auf einen Brief meiner verstorbenen Mutter gestoßen«, begann Brodka. »In diesem Brief erwähnt sie Kardinal Smolenski. Sie bezeichnet ihn als Teufel. Und sie beklagt sich darüber, was er ihr angetan hätte. Was kann das zu bedeuten haben?«
Titus verzog das Gesicht und dachte nach. Schließlich erwiderte er: »Keine Ahnung. Aber was kümmert es dich?«
»Wie ich dir schon sagte, geschehen seit dem Tod meiner Mutter merkwürdige Dinge. Man hat auf mich geschossen. Man wollte mir einen Mord anhängen. Man verfolgt mich. Und meine Mutter hinterließ ein riesiges Vermögen, das mit der Kirche zu tun hat. Alle Nachforschungen, die ich anstelle, verlaufen im Sand. Leute, die mir weiterhelfen könnten, sind tot oder schweigen wie ein Grab. Verdammt, was soll ich tun?«
Titus fuhr sich mit dem Ärmel des Mantels über die Nase und schniefte. Dann sagte er, während er mit dem Fuß scharrte, als wollte er einen Käfer zertreten: »Hast du gar keine Erklärung für die Vorfälle? Falls du dir wirklich ihre Feindschaft zugezogen hast, muß es doch irgendeinen Anhaltspunkt geben.«
»Meine Mutter besaß ein Mietshaus in allerbester Lage, ein Millionenvermögen. Aus dem Grundbuch erfuhr ich, daß sie es vor dreißig Jahren von einer Immobiliengesellschaft zum Preis von einer Mark erworben hat.«
»Wie heißt diese Gesellschaft?«
»Pro Curia.«
Titus blickte Brodka an. In seinen Augen lag Erstaunen. »Du weißt, wer sich dahinter verbirgt?«
»Nein.«
»Pro Curia ist ein Unternehmen mit Grundstücks- und Häuserbeteiligungen in aller Welt. Es gehört zu hundert Prozent einer Holdinggesellschaft in Zürich, an der wiederum die Credit Suisse in Genf, das Istituto per le Opere Religiose – sprich: die Bank des Vatikans – und einige kleinere Privatbanken als Eigner beteiligt sind, die alle in irgendeiner Form mit dem Opus Dei zusammenhängen. Mit anderen Worten: ein profitorientierter Konzern, der nach außen hin von den Banken, in Wirklichkeit aber vom Vatikan kontrolliert wird. Und diese Firma soll deiner Mutter eine Immobilie für eine Mark verkauft haben?«
Brodka zischte: »Verdammt, ich kann es beweisen! Ich habe alle Dokumente!«
»Und warum sollten sie das getan haben?«
»Das ist es ja. Ich habe keine Ahnung!« Brodka schaute Titus ins Gesicht; dann sagte er leise, aber eindringlich: »Du mußt mir helfen. Es soll dein Schaden nicht sein. Ich habe Geld. Sag mir, wieviel du willst.«
Titus zögerte. Er ließ sich Zeit mit der Antwort.
Erst als Juliette sich einmischte und erklärte, weder sie noch Brodka könnten diese ungewisse Situation noch lange ertragen, erklärte Titus, er wolle sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen lassen, und erbat sich vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit.
Schließlich zog er einen Zettel aus der Tasche und kritzelte eine Nummer darauf unter der er zu erreichen sei.
Er wollte den Zettel Brodka zuschieben, doch dieser schien ihn gar nicht wahrzunehmen. Er saß regungslos auf der Bank, wie vom Schlag getroffen, und starrte ins Kirchenschiff. Seine Augen waren weit aufgerissen, seine Unterlippe zuckte leicht, und er hatte die Fäuste geballt – nicht aus Wut, sondern als erwarte er irgendein furchtbares Ereignis.
»Brodka«, flüsterte Juliette erschreckt, »Brodka, was ist mit dir?«
Der schien Juliettes Stimme gar nicht zu hören. Sein starrer Blick war auf eine vornehme ältere Frau in einem auffälligen Kostüm gerichtet. Sie trug einen schwarzen Hut mit breiter, geschwungener Krempe und schlenderte zwischen anderen Dombesuchern den Mittelgang entlang. Plötzlich
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