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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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seitlich in den Schutz des Fahrstuhls zurück und überlegte, wie er Schlegelmilch den derzeitigen Aufenthaltsort Titus' entlocken konnte. Geld schien ihm dabei die einzige erfolgversprechende Möglichkeit.
    Während er noch überlegte, wie er vorgehen sollte, wurde die Wohnungstür leise geöffnet, und Agostinos steckte den Kopf hinaus. Offenbar wollte er sich vergewissern, ob die Luft rein war. Dann machte er ein paar Schritte zur Haustür und öffnete sie leise.
    Brodka beobachtete aus seinem Versteck hinter dem Fahrstuhl, wie Schlegelmilch den rechten Zeigefinger auf die Lippen legte. Im selben Augenblick schlüpfte eine dunkle Gestalt nach der anderen ins Innere des Hauses, gewiß ein Dutzend Männer und Frauen sowie zwei Kinder, kaum älter als zehn Jahre. Einige trugen Taschen, andere ein geschnürtes Bündel.
    Plötzlich fiel es Brodka wie Schuppen von den Augen. Agostinos Schlegelmilch hatte nie angedeutet, mit welcher Art von Geschäften er seinen Lebensunterhalt bestritt. Jetzt war es klar: Schlegelmilch war ein Schlepper.
    Zurück im Hotel berichtete Brodka Juliette von seiner Entdeckung, und gemeinsam legten sie sich einen Plan zurecht.
    Juliette bestand darauf, Brodka nicht mehr allein gehen zu lassen, zumal sie als Frau schon durch ihre bloße Anwesenheit zur Entspannung einer Situation beitragen könne, falls es einmal kritisch würde.
    So besuchten Brodka und Juliette am folgenden Abend gemeinsam den ›Roten Gimpel‹.
    Wer glaube, eine Frau sei in einem Schwulenlokal nicht gern gesehen, der irrt. Man begegnete Juliette mit höflicher Zuvorkommenheit, wenngleich nicht mit jenen Komplimenten, mit denen sie für gewöhnlich bedacht wurde. Die beiden nahmen an einem der hinteren Tische Platz, von wo sie den Eingang im Blickfeld hatten, und tranken einen der vorzüglichen Cocktails, die in dieser Bar serviert wurden.
    Kurz vor neun erschien Agostinos, wie immer im dunkelblauen Anzug und mit roter Krawatte. Noch ehe er an der Bar Platz nehmen konnte, trat Brodka auf ihn zu und bat ihn an ihren Tisch.
    Schlegelmilch war völlig überrascht und verhielt sich zunächst abweisend.
    »Wie kommst du überhaupt hierher?« fragte er.
    Brodka spielte den Überlegenen. »Ich weiß mehr über dich, als du ahnst«, erklärte er. »Aber vielleicht können wir ja ins Geschäft kommen. Setz dich zu uns, wir müssen reden.«
    Er führte Schlegelmilch an seinen Tisch und stellte ihm Juliette als seine Lebensgefährtin vor, was Agostinos noch mißtrauischer machte; aber schließlich setzte er sich, bestellte einen Rotwein und sagte: »Ich höre.«
    »Zunächst einmal: Wo ist Titus?« legte Brodka los.
    Schlegelmilch starrte ihn mit einer Mischung aus Verwunderung und Zorn an. Juliette fürchtete, er würde auf Brodka losgehen, weil er glaubte, dieser wollte ihn an der Nase herumführen. Schließlich hatte Brodka ihm ein Geschäft versprochen.
    Dann aber setzte Agostinos schweigend sein Weinglas ab und stand auf, um zu gehen. Doch Brodka drückte ihn auf den Stuhl zurück. »Wo ist Titus?« wiederholte er und fügte hinzu: »Wenn du mir die Frage nicht beantwortest, wird's nichts mit unserem Geschäft.«
    »Was redest du immer von Geschäft?« fragte Agostinos ungehalten.
    »Nun ja«, meinte Brodka, »du verkaufst mir dein Geheimnis, und ich verkaufe dir mein Schweigen.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest, Brodka. Wenn du dich nicht klarer ausdrückst, können wir unser Gespräch gleich beenden. Ich hab' Besseres zu tun.«
    Brodka blickte sich verstohlen um; dann rückte er ganz nahe an Schlegelmilch heran und sagte mit gedämpfter Stimme: »Es ist bestimmt ein einträgliches Geschäft, Menschen aus Rußland, der Ukraine, dem Iran, aus Pakistan, Albanien und Gott weiß woher in den Goldenen Westen zu schleusen. Es wäre doch schade, wenn du diesen lukrativen Job aufgeben müßtest.«
    Agostinos Schlegelmilch sagte nichts. Er griff nach dem Weinglas und nahm einen großen Schluck. Seine plötzliche Unsicherheit war nicht zu übersehen. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen und sagte: »Respekt, Brodka. Das hätte ich dir gar nicht zugetraut, wirklich nicht.«
    Brodka nutzte die Gelegenheit und stieß sofort nach: »Übrigens – es wäre zwecklos, mich oder Juliette oder uns beide zu beseitigen. Ich habe bei einem Anwalt einen versiegelten Umschlag hinterlegt, der nur im Fall meines Ablebens geöffnet werden darf. In diesem Brief ist der nähere Sachverhalt erläutert.« Natürlich stimmte das

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