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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Brodka und Juliette beinahe unbemerkt zu einer Tiefgaragenzufahrt gelangt, die ins Freie führte.
    »Hast du dir überhaupt schon Gedanken gemacht, wohin wir sollen?« fragte Juliette, während sie mit ihrem Gepäck die steile Rampe emporstiegen.
    »Ehrlich gesagt, nein«, erwiderte Brodka. »Hauptsache, weg von hier, aus diesem Hotel, wo jeder unserer Schritte beobachtet wird. In Rom gibt es Tausende von kleinen Hotels und Pensionen. Da wird wohl eines dabei sein, in dem wir unbemerkt für ein paar Tage untertauchen können.«
    Brodka stellte seine Tasche neben Juliettes Koffer und bat sie zu warten; er wolle ein Taxi holen. Er vermied es bewußt, um den Häuserblock herum zur Via Véneto zu gehen, weil dort größere Gefahr bestand, entdeckt zu werden. Also ging er in die entgegengesetzte Richtung, wo der Straßen- und Taxiverkehr längst nicht so dicht waren.
    Nach zehn Minuten hatte er Glück. Ein Taxifahrer mit einem zerbeulten Renault hielt an und fragte, wo es hingehen sollte. Brodka hatte Mühe, dem Fahrer klarzumachen, daß er ein paar Straßen weiter seine Frau abholen wollte, um sich mit ihr gemeinsam auf die Suche nach einer ruhigen kleinen Pension zu machen.
    Brodka ließ den Taxifahrer vor der Rampe halten, an der eine sichtlich nervöse Juliette wartete. Wie sie mit ihren Koffern am Straßenrand stand, machte sie einen offenbar armseligen Eindruck, denn der Fahrer verlangte eine Vorauszahlung, bevor er sich bereit erklärte, die Fahrt anzutreten, was selbst in Anbetracht römischer Verhältnisse unüblich ist.
    Als Brodka dem Fahrer jedoch, zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt, 50.000 Lire reichte, hellte sich dessen bis dahin skeptische Miene auf und wich freudiger Erregung, die in der Aussage gipfelte, gerade eben falle ihm ein Albergo ein, in Richtung Monte Mario gelegen, nicht weit entfernt von der Piazza Giuseppe Mazzini. Das Albergo Waterloo.
    Gut, meinte Brodka, wenn es nicht gerade am anderen Ende der Stadt sei.
    Der Fahrer beteuerte bei der heiligen Francesca und dem Leben seiner gleichnamigen Mutter, länger als eine halbe Stunde würde die Fahrt nicht dauern, und die Anzahlung dafür sei ausreichend.
    Natürlich war die Ankündigung des Fahrers hoffnungslos untertrieben; die Fahrt währte beinahe doppelt so lange wie veranschlagt. Dafür erwies sich das Albergo Waterloo als gemütliche Pension mit einem Apartment unter dem Dach und Blick auf den Monte Mario; der Gast mußte allerdings vier Stockwerke auf einer Wendeltreppe hinter sich bringen.
    Während sie gespannt auf den Abend warteten, um Fasolinos Hausdiener zu treffen, zog Brodka zum wiederholten Male dessen Brief aus der Tasche. Er ließ die Purpurschlinge durch die Finger gleiten; dann las er, was Arnolfo darüber zu sagen wußte. Vor seinen Augen tauchte das Bild der toten Nora Molnar auf, ihre Wohnung in dem heruntergekommenen Haus an der Wienzeile. Er dachte an Titus, diesen rätselhaften Expriester, der so plötzlich und ohne Erklärung aus München verschwunden war und von dem Brodka nicht wußte, ob der Mann ihn bespitzelte oder seine Hilfe brauchte. Bei Titus hatte er eine solche Purpurschlinge gesehen. War sie eine Auszeichnung gewesen, eine Trophäe oder ein Schlüssel, wie Arnolfo schrieb?
    Das würde bedeuten, daß Titus zu dieser geheimen Bruderschaft zählte. Wieso versteckte er sich dann? Wieso hatte er dann eine so schreckliche Angst vor der ›Heiligen Mafia‹?
    Kein Zweifel, Arnolfo wußte mehr über diesen Geheimbund oder was immer es sein mochte – und er war sich der Tragweite seines Wissens bewußt. Er schrieb sogar von einer Verschwörung. Doch Brodka fand nicht den Hauch einer Erklärung dafür, weshalb er – und vielleicht auch Juliette – Ziel dieser Verschwörer geworden sein konnten.
    Brodka steckte den Brief und die Schlinge in den Umschlag zurück und trat ans Fenster. Der Tag war mild, und über der Stadt lag jener gelbe Dunst, der schon in geringer Entfernung alle Konturen verschwimmen läßt.
    Während Juliette den Inhalt des Gepäcks in einem rötlich gemaserten Ungetüm von Schrank verstaute, dachte Brodka darüber nach, welche Schwachstellen sein Leben aufwies. Jeder Mensch, jedes Leben besitzt solche Schwachstellen, welche Feinden die Möglichkeit bieten, sich in ein fremdes Dasein zu drängen.
    Brodka mußte an seine Ehe denken, die vor zehn Jahren zerbrochen war. Nein, da boten sich keine Angriffspunkte. Es war eine einvernehmliche, saubere Trennung gewesen, und er hatte seiner Frau

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