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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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eine großzügige Abfindung bezahlt. Und was sein Berufsleben betraf – gewiß, er hatte sich nicht nur Freunde geschaffen, und mancher Kollege, dem er die besten Aufträge wegschnappte, hatte ihm wahrscheinlich die Pest an den Hals oder Schlimmeres gewünscht. Aber um irgendwelche Rachewünsche zu befriedigen, hätte es nicht dieses umständlichen Aufwandes bedurft, mit dem die Unbekannten ihm nachstellten. Und seine Beziehung zu Juliette? Ja, die war natürlich ein Angriffspunkt in seinem Leben. Aber seit Collin Bescheid wußte, waren die Fronten geklärt, und Collin hatte gezeigt, daß er auf eigene Faust kämpfen wollte. Es war mehr als unwahrscheinlich, daß Juliettes Mann eine Verbrecherorganisation auf ihn angesetzt hatte. Außerdem waren die Unbekannten schon hinter ihm her gewesen, bevor Collin vom Verhältnis Brodkas mit seiner Frau erfahren hatte.
    »Was grübelst du, Brodka?« Juliettes Stimme kam von ganz weit her.
    Brodka drehte sich um. Entgegen ihrer Gewohnheit hatte Juliette sich betont unauffällig gekleidet. Sie trug Jeans und einen weiten, dünnen Pullover mit breitem Ausschnitt.
    »Ich denke über den Inhalt des Briefes nach«, entgegnete er, »vor allem versuche ich seinen Inhalt mit den Geschehnissen der letzten Monate in Verbindung zu bringen.«
    »Und? Mit welchem Ergebnis?«
    Brodka schüttelte den Kopf. »Das alles ist so verwirrend, und durch Arnolfos Andeutungen wird die Sache noch unüberschaubarer.«
    »Vielleicht wissen wir heute abend mehr. Wann sollen wir uns mit Arnolfo treffen?«
    »Kurz vor Sonnenuntergang, schreibt er.«
    »Ach ja. Eine merkwürdige Zeitangabe. Findest du nicht auch?«
    »Allerdings«, meinte Brodka.
    »Auch der Treffpunkt ist ungewöhnlich. Warum mag er sich den Campo Santo Teutonico ausgesucht haben?«
    Brodka legte den Kopf zur Seite und zog eine Schulter hoch. »Keine Ahnung. Carracci wird schon seine Gründe haben. Vermutlich hat er den Ort gewählt, weil er ihm sicher erscheint. Was meinst du, kann man ihm trauen?«
    Nach kurzem Nachdenken – wie stets nahm Juliette dabei die Haltung eines Schulmädchens ein, den Zeigefinger auf die Lippen gedrückt, was Brodka an ihr besonders liebte – antwortete sie: »Arnolfo hat uns eigentlich schon zu viel gesagt, als daß er ein falsches Spiel mit uns treiben könnte. Nein, ich glaube, er ist bitter enttäuscht über die Undankbarkeit der Fasolinos. Ich kann ihn verstehen.«
    Brodka nickte.
    Der Campo Santo Teutonico liegt im Schatten von St. Peter, an der linken Außenmauer des Langhauses, ein uralter kleiner Friedhof mit verwitterten Grabplatten berühmter Deutscher. Seine Geschichte geht bis auf Karl den Großen zurück, der dem Papst dieses Stückchen Land abkaufte und einen Teil geschenkt bekam.
    Als Brodka und Juliette diesen einnehmenden Flecken Erde betraten, glaubten sich beide für einen Augenblick im Elysium, dem Wohnsitz der Seligen, und sie blieben ergriffen stehen. Überragt von der gewaltigen, im tiefen Sonnenlicht leuchtenden Kuppel, tat sich eine Bühnenarchitektur auf: Fenster, Bögen und Pilaster vor malerischem Hintergrund, kitschig schön wie ein Gemälde von Anselm Feuerbach. Zwischen den Grabsteinen wuchsen dunkle, spitze Zypressen und Palmen, die vom Abendlicht vergoldet wurden und in denen ein leises, geheimnisvolles Rauschen erklang.
    Ansonsten war es still. Die Tagestouristen, in der Hauptsache Deutsche und Japaner, waren längst verschwunden. Juliette zupfte Brodka am Ärmel. Sie sagte kein Wort und wies mit dem Kopf in die hinterste Ecke des Campo Santo, wo Arnolfo auf einer Grabmauer saß, die Hände in den Taschen eines dunklen Mantels vergraben.
    Als Juliette und Brodka näher kamen, bemerkten sie die seltsam verkrümmte Haltung Arnolfos, der die Augen geschlossen hielt.
    »Signore Arnolfo«, sagte Juliette leise, während sie vor den alten Mann hintrat.
    Der zeigte keine Reaktion.
    »Was ist mit ihm, Brodka?« sagte Juliette mit hoher, gepreßter Stimme.
    Brodka kniete sich vor Arnolfo hin, nahm seine Hand. Sie war warm. So gut er konnte, versuchte er Arnolfos Puls zu fühlen, jedoch vergeblich. Dann preßte er ein Ohr an die Brust des Mannes. Nichts. Doch er sah, daß sich der Brustkorb Carraccis langsam hob und senkte.
    »Er atmet«, sagte Brodka und schaute zu Juliette auf. »Wir müssen einen Arzt holen. Da« – er wies zum Eingangsportal –, »sieh zu, ob du einen Küster findest oder irgend jemanden, der den Notarzt verständigt. Ich bleibe solange hier.«
    So schnell

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