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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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der Via Véneto erwachte. Juliette stand auf stellte sich unter die Dusche und ließ abwechselnd kaltes und heißes Wasser auf ihr Gesicht prasseln.
    Für halb acht waren sie und Brodka zum Frühstück verabredet, denn um acht erwarteten sie Arnolfo Carracci.
    Doch statt des alten Hausdieners erschien ein junger Mann, der sich als Baldassare Cornaro vorstellte. Er bringe einen Brief von Signore Carracci, seinem Onkel, der es für besser halte, hier nicht mehr zu erscheinen. Alles Nähere stehe in dem Brief.
    Juliette nahm den an sie adressierten Umschlag entgegen und schaute Brodka ratlos an. Was war geschehen?
    Brodka witterte eine List und folgte, kaum daß Carraccis Neffe sich verabschiedet hatte, dem jungen Mann auf die Straße. Er sah gerade noch, wie dieser in einen kleinen Lieferwagen mit der Aufschrift ›Baldassares Pizza-Service‹ stieg und in Richtung Piazza Barberini davonfuhr.
    An einem ruhigen Platz in der Hotelhalle öffnete Juliette den Umschlag mit bloßen Fingern. Brodka traute seinen Augen nicht, als sie ein Band hervorzog, das zu einer Schlinge geknüpft war. Ein Band von purpurner Farbe!
    Dann lasen sie aufgeregt Arnolfos krakelige Zeilen.
    Verehrte Signora!
    Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, daß ich nicht, wie vereinbart, in Ihrem Hotel erscheine. Ich habe Angst. Im Kalender von Signore Fasolino fand ich einen Eintrag: Hotel Excelsior, Zimmer 203. Sollte es sich dabei um Ihre Zimmernummer handeln, würde das bedeuten, daß Sie unter Beobachtung stehen, und unser Zusammentreffen könnte nicht geheim bleiben.
    Zu meinem Bedauern hatte ich keine Möglichkeit, Sie telefonisch von der neuen Situation in Kenntnis zu setzen. Ich mußte davon ausgehen, daß jedes meiner Gespräche abgehört wird. Deshalb habe ich Ihnen meinen Neffen Baldassare Cornaro geschickt. Er ist der einzige Mensch, der sich um mich kümmert. Zufällig kam er am Abend vorbei, und ich konnte ihm diesen Brief mitgeben. Sie können ihm vertrauen.
    Nur soviel: Fasolino ist bloß ein kleiner Fisch in einem großen Syndikat, dessen Drahtzieher hinter den Mauern des Vatikans verborgen sitzen, mächtige Männer in kostbaren Gewändern. Selbst der Papst, dessen Namen kaum noch jemand kennt, ist nur eine beklagenswerte Figur in ihren Händen. Manche glauben sogar, daß der Papst längst tot ist und sein Tod aus gewissen Gründen verheimlicht wird. Ich bin zu alt und habe nicht den Mut, diese Verschwörung aufzudecken. Die beiliegende Purpurschlinge ist aus Seide und das geheime Zeichen dieser Vereinigung. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, wird sie sowohl als Auszeichnung für besondere Taten, als Trophäe und als Schlüssel verwendet, der Zugang zu geheimen Orten und Zusammenkünften gewährt.
    Sollte ich Sie mit meinen Informationen neugierig gemacht haben und sollten Sie noch immer an Beweisen interessiert sein, Ihren Fall betreffend, schlage ich vor, sich heute kurz vor Sonnenuntergang im Campo Santo Teutonico einzufinden.
    Ich werde dort sein, sofern ich nicht unerwartet verhindert bin.
    Nehmen Sie, Signora, den Ausdruck meiner Hochachtung entgegen.
    Ihr ergebener Arnolfo Carracci, Diener.
    Post scriptum : Da mein Konto Signore Fasolino bekannt ist, möchte ich Sie bitten, die finanziellen Angelegenheiten mit meinem Neffen Baldassare zu regeln. Er wohnt in der Via Sale 171. Entschuldigen Sie meine Schrift – ich bin in großer Eile.
    Brodkas Hände zitterten, als er Juliette die Purpurschlinge aus der Hand nahm. Nachdenklich ließ er das geknüpfte Seidenband durch die Finger gleiten. Er schüttelte den Kopf. Schließlich blickte er Juliette an und meinte: »Ich begreife das alles nicht. Was haben wir mit diesen Leuten zu schaffen?«
    Juliette war blaß geworden. »Wir müssen weg von hier«, sagte sie leise und mit gepreßter Stimme. »Wahrscheinlich stehen wir längst unter Beobachtung.«
    Da nahm Brodka ihre Hand und drückte sie. »Du hast recht. Wir müssen aus dem Fadenkreuz dieser Gangster verschwinden. Paß auf. Du gehst jetzt auf dein Zimmer und packst deine Sachen. Ich begleiche in der Zwischenzeit unsere Hotelrechnungen. Dann hole ich meine Reisetasche, und wir verschwinden über die Hintertreppe in den Keller.«
    »Was sollen wir im Keller?«
    »Wir verschwinden durch den Hinterausgang. Und den erreicht man fast immer durch den Keller.«
    Brodkas Plan ging auf. Seit sie Arnolfos Brief gelesen hatten, waren gerade dreißig Minuten vergangen. Vorbei an der Küche und der dahinter gelegenen Wäscherei waren

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