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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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völlig klar: Er mußte Brodka beseitigen. Solange dieser Kerl sich in sein Leben drängte, solange er Juliette in Beschlag nahm, würde seine Frau nie zu ihm zurückfinden. Nein, Brodka mußte verschwinden. Er, Collin, würde sich ein todsicheres Alibi verschaffen – ein Kongreß oder eine Reise ins Ausland. Sollten andere sich die Finger schmutzig machen. Wozu hatte er sein Leben lang gearbeitet? Wozu hatte er Geld?
    Collin ließ den schweren Wagen an und gab Gas. Er war ein sicherer Fahrer. Sogar im volltrunkenen Zustand lenkte er den Wagen ohne erkennbare Zeichen übermäßigen Alkoholkonsums durch den Verkehr – die Macht der Gewohnheit. Und nichts auf der Welt, außer einer Polizeistreife, hätte ihn davon abhalten können.
    Als er in den Tunnel am Altstadtring eintauchte, nibbelten die Wischerblätter trocken quietschend über die Scheibe. Mit einer heftigen, unwilligen Handbewegung schob Collin den Scheibenwischerhebel nach oben. Als er vor dem Haus der Kunst aus dem Tunnel kam, wollte er die Wischer wieder einschalten, doch der Hebel war abgebrochen, die Wischer versagten ihren Dienst.
    Regenwogen klatschten gegen die Windschutzscheibe. Die Lichter vor ihm und die beleuchtete Straße zerrannen zu undurchsichtigen Zerrbildern. Eingekeilt zwischen Autokolonnen zu beiden Seiten, sah Collin keine Möglichkeit zum Anhalten. Er fuhr weiter über eine Ampelkreuzung und versuchte, an den rechten Straßenrand zu kommen, verursachte jedoch nur ein ungehaltenes Hupkonzert und fuhr weiter.
    Auf der Isarbrücke peitschte ein Sturmwind Regenwände gegen die Windschutzscheibe. Collin fuhr in ein grauschwarzes Loch. Nur raus aus dieser Blindheit, schoß es ihm durch den Kopf. Er gab Gas. Auf der glatten Fahrbahn brach das Heck der schweren Limousine nach rechts aus; dann griffen die Reifen plötzlich wieder, und der Wagen schoß quer über die Gegenfahrbahn, rammte frontal und mit einem lauten Knall die Brückenmauer, stellte das Heck auf und überschlug sich.
    Vom explodierenden Airbag betäubt, nahm Collin gerade noch wahr, daß er durch die Luft flog – ein traumgleiches, berauschendes Gefühl.
    Dann wurde alles schwarz um ihn herum, und sämtliche Geräusche verstummten.
    In derselben Nacht fand Juliette keinen Schlaf Sie hatte Brodka vom Angebot des Hausdieners Arnolfo erzählt. Brodka hatte sofort zugestimmt, die geforderte Summe zu zahlen. Wenn es überhaupt die Chance gebe, meinte er, Licht in das Dunkel dieses groß angelegten Komplotts zu bringen, habe Arnolfo den Schlüssel in der Hand.
    Juliette war froh, daß Brodka gekommen war, wenngleich sie die Umstände ihres Wiedersehens allzu gerne ungeschehen gemacht hätte. Anders als Brodka, der keinen Zweifel hatte, daß zwischen der Fälscher-Mafia und den Leuten, die ihm aus unerklärlichen Gründen nachstellten, eine Verbindung bestand, rätselte sie immer noch daran herum. Was hatte der Tod von Brodkas Mutter mit den gefälschten Bildern zu tun?
    Juliette lag stundenlang wach im Bett und versuchte vergeblich, Claudio aus ihrem Gedächtnis und, was noch schwieriger war, aus ihren Gefühlen zu verdrängen. Sie hätte nie geglaubt, daß sie in ihrem Alter wegen eines Mannes noch Herzklopfen und Schweißausbrüche bekommen könnte. Dabei war sie sich darüber im klaren, daß Claudio nur ein Abenteuer war, ein Traum.
    Vergiß ihn, sagte sie sich. Vergiß ihn.
    Sie erschrak, als das Telefon summte. Es war kurz vor vier und noch dunkel. Leise fluchend nahm sie den Hörer ab.
    Es war Claudio.
    »Du bist verrückt!« schimpfte Juliette. »Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
    »Giulietta«, sagte Claudio beschwichtigend. »Giulietta, was soll ich tun? Ich liebe dich. Ich …«
    »Unsinn, Claudio. Was du als Liebe bezeichnest, ist bloß ein bißchen Vergnügen und Sex. Wir sollten das ganze vergessen.«
    Juliette wußte, daß sie zu schroff gewesen war, und es schmerzte sie, weil sie noch immer Gefühle für diesen Mann hegte. Sie wollte sich entschuldigen, ihm sagen, daß es nicht so gemeint war, daß er ihr auch jetzt nicht gleichgültig sei; doch noch ehe sie dazu kam, antwortete Claudio. Seine Stimme klang, als hätte er einen Frosch im Hals.
    »Entschuldige, Giulietta. Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Ich mußte dir noch einmal sagen, wie sehr ich dich liebe. Ich verstehe, daß es keinen Sinn hat mit uns beiden. Aber ich bin immer für dich da. Das sollst du wissen.«
    Dann legte er auf.
    Allmählich graute der römische Morgen; der Verkehr auf

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