Pyramiden
Vielleicht bin ich ein wenig altmodisch, aber ich gebe immer den Rat, Platz für ein ordentliches Labyrinth zu lassen. Mein Motto lautet: Die Räuber gelangen hinein – aber nie wieder heraus. Ein gutes Labyrinth kostet etwas mehr, aber was bedeutet Geld unter den gegenwärtigen Umständen? O Herr des Wassers.«
Es bedeutet eine ganze Menge, wenn man keins hat, flüsterte eine leise Stimme in Teppics Kopf. Er achtete nicht darauf, ließ sich allein vom Schicksal leiten.
»Ja«, entgegnete er und straffte die Schulter, »ein Labyrinth. Nein, gleich zwei.«
Ptaclusps Stift bohrte sich durch die Wachstafel.
»Eins für den Pharao, das andere für seine Gemahlin«, krächzte er. »Natürlich. Angemessen. Recht und billig. Mit den üblichen Fallen? In dieser Hinsicht bieten wir eine breite Auswahl: Fallgruben, fatale Sackgassen, Schmetterkugeln, herabfallende Speere, vergiftete Pfeile …«
»Ja, ja«, sagte Teppic. »Wir nehmen sie. Wir nehmen sie alle. Ja, alle.«
Der Architekt atmete tief durch.
»Darüber hinaus sollten wir auch an die notwendigen Säulen, Sphingen, Bildnisse, Inschriften und dergleichen denken …«
»Eine Menge davon«, sagte Teppic. »Wir überlassen es Ihnen.«
Ptaclusp wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Gut«, brachte er heiser hervor. »Wunderbar.« Er putzte sich die Nase. »Wenn Sie gestatten, o Säer der Saat … Ihr Vater kann wirklich stolz auf einen so pflichtbewußten Sohn sein. Wenn Sie erlauben …«
»Ich erlaube Ihnen, jetzt zu gehen«, warf Dios ein. »Sie werden sofort mit der Arbeit beginnen.«
»Unverzüglich, das versichere ich Ihnen«, sagte Ptaclusp. »Äh.«
Er schien mit einem höchst wichtigen philosophischen Problem zu ringen.
»Ja?« fragte Dios kühl.
»Es ist äh. Da wäre noch zu klären, wie äh. Um nicht zu sagen äh. Sie sind natürlich ein guter und geschätzter Kunde, aber leider äh. An Ihrer Kreditwürdigkeit besteht nicht der geringste Zweifel äh. Ich möchte keineswegs behaupten, daß äh.«
Der Hohepriester musterte ihn eisig. Sein Blick hätte selbst eine Sphinx veranlaßt, zu blinzeln und den Kopf zur Seite zu drehen.
»Sie möchten etwas sagen?« erkundigte er sich. »Seine Majestät hat nur wenig Zeit.«
Ptaclusps Lippen zitterten und verwandelten sich in einen Filter, der Worte wie ›Bezahlung‹ zurückhielt. Selbst Götter wurden unsicher, wenn ihnen Dios mit einem derartigen Blick begegnete. Auch die hölzernen Schlangen des Amtsstabs schienen den Architekten zu beobachten.
»Äh, nein, nein. Entschuldigung. Ich habe nur, äh, laut gedacht. Ich gehe jetzt, nicht wahr? Es gibt viel zu tun. Äh. Eine Menge Arbeit wartet auf mich. Äh.« Er verbeugte sich tief.
Er war bereits auf halbem Wege zum Tor, als ihm der Hohepriester nachrief: »Fertigstellung in drei Monaten. Rechtzeitig zur Überschwemmung.« 13
»Was?«
»Sie sprechen mit dem eintausenddreihundertachtundneunzigsten Monarchen«, sagte Dios streng.
Ptaclusp schluckte. »Bitte entschuldigen Sie, äh«, hauchte er. »Ich wollte sagen: Was, o großer Pharao? Ich meine, allein der Transport der Steine dauert mindestens äh.« Die Unterkiefer des Architekten mahlten, als er sich verschiedene Bemerkungen zurechtlegte und sie (in seiner Phantasie) in den gletscherkalten Blick des Hohenpriesters schleuderte. »Tsort wurde nicht an einem Tag erbaut«, murmelte er.
»Kein Wunder«, erwiderte Dios. »Die Baumeister bekamen ihre Anweisungen nicht von mir.« Er lächelte, und Ptaclusp erzitterte innerlich. »Sie dürfen uns eine zusätzliche Summe in Rechnung stellen.«
»Was allerdings nicht bedeutet, daß Sie auch zah …«, begann Ptaclusp und biß sich auf die Zunge.
»Wenn Sie nicht rechtzeitig fertig sind, müssen Sie mit einer schrecklichen Strafe rechnen«, sagte Dios. »Die übliche Klausel.«
Ptaclusp brachte nicht den Mut auf, dem Hohenpriester zu widersprechen. »Selbstverständlich«, flüsterte er und gab sich geschlagen. »Es ist mir eine Ehre. Wenn Eure Eminenzen mich nun entschuldigen würden … Es bleibt noch einige Stunden lang hell, und diese Zeit möchte ich nutzen.«
Teppic nickte.
»Danke«, sagte der Architekt. »Mögen Ihre Lenden Früchte tragen, o Pharao. Ich wünsche Ihnen göttlichen Segen, Lord Dios.«
Ptaclusp eilte durch die Tür und stürmte die Treppe herab.
»Es wird eine prächtige Pyramide sein«, sagte Dios. »Zu groß, aber prächtig.« Er blickte an den Säulen vorbei zur Nekropolis, die sich am anderen Ufer des Djel
Weitere Kostenlose Bücher