Pyramiden
seufzte leise, hockte sich nieder und starrte auf die Steine.
»Hier gibt es einen kleinen Riß«, sagte sie skeptisch.
»Sieh ihn dir genauer an! Du mußt den Kopf drehen und ihn aus den Augenwinkeln betrachten.« Die Messerklinge schabte über den Riß, der kaum mehr war als eine dünne Linie.
»Nun, er ist sehr lang«, sagte Ptraci und spähte über den kochenden Boden.
»Er reicht vom Zweiten Katarakt bis zum Delta«, erwiderte Teppic. »Es hilft, wenn man das eine Auge zuhält. Versuch es. Bitte!«
Ptraci hob die rechte Hand vors Auge und blinzelte gehorsam.
»Hat keinen Zweck«, murmelte sie nach einer Weile. »Ich kann überhaupt nichts seeeehen …«
Einige Sekunden lang blieb die junge Frau völlig reglos, und dann warf sie sich plötzlich zur Seite. Teppic gab seine Bemühungen auf, das Messer in den Riß zu zwängen, kroch besorgt zu Ptraci.
»Ich stand direkt am Rand«, brachte sie hervor.
»Du hast es gesehen?«
Sie nickte, stand vorsichtig auf und wich zurück.
»Hattest du das Gefühl, als stülpten sich deine Augen um?« fragte Teppic.
»Ja«, antwortete Ptraci leise. »Könnte ich bitte die Arm- und Fußreifen zurückbekommen?«
»Was?«
»Meinen Schmuck. Er befindet sich in deiner Tasche. Ich möchte ihn zurück.«
Teppic zuckte mit den Achseln und öffnete seinen Beutel. Die Arm- und Fußreifen bestanden größtenteils aus Kupfer und wiesen kleine Emaille-Verzierungen auf. Hier und dort hatten ihre Hersteller mit nur mäßigem Erfolg versucht, interessante Dinge aus Drähten und bunten Glassplittern zu schaffen. Ptraci nahm ihren Schmuck entgegen und legte ihn an.
»Hat das Zeug irgendeine okkulte Bedeutung?« erkundigte sich Teppic.
»Mit okkulten Objekten kenne ich mich nicht aus«, erwiderte die junge Frau vage.
»Oh! Nun, wozu brauchst du die Sachen?«
»Das habe ich dir doch schon gesagt. Ohne sie fühle ich mich nicht richtig angezogen.«
Teppic wölbte kurz die Brauen und versuchte dann wieder, das Messer in den Riß zu schieben.
»Warum machst du das?« fragte Ptraci. Teppic legte eine Pause ein und überlegte.
»Keine Ahnung«, entgegnete er. »Du hast das Tal doch gesehen, oder?«
»Ja.«
»Na eben.«
»Eben was?«
Teppic rollte mit den Augen. »Hältst du diese Angelegenheit nicht für ein wenig, äh, seltsam? Ein ganzes Land, das einfach so verschwindet … Bei den Göttern, so etwas geschieht nicht jeden Tag!«
»Woher soll ich das wissen? Ich habe das Tal noch nie zuvor verlassen. Ich meine, ich weiß nicht, wie es von außen betrachtet aussieht. Und fluch nicht!«
Teppic schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich sollte jetzt wirklich in den Schatten zurückkehren«, sagte er. »Beziehungsweise in den Rest davon«, fügte er hinzu, denn das Messinglicht der Sonne verbrannte selbst die Bereiche, die es gar nicht erreichen durfte. Teppic wankte an größeren Felsen vorbei und starrte Ptraci an.
»Das ganze Tal hat sich einfach … geschlossen«, brachte er hervor. »Alle Bewohner …«
»Ich habe Lagerfeuer gesehen«, sagte Ptraci und sank auf den heißen Fels.
»Bestimmt hat es irgend etwas mit der Großen Pyramide zu tun«, sinnierte Teppic. »Sie wirkte sehr seltsam, bevor wir Djelibeby verließen. Vermutlich ist Magie, Geometrie oder so etwas im Spiel. Glaubst du, wir können irgendwie zurück?«
»Ich will gar nicht zurück. Warum sollte ich zurückwollen? Die Krokodile warten bereits darauf, daß man mich ihnen serviert. Ich mag keine Krokodile. Ich verabscheue Krokodile, die mich fressen wollen.«
»Hm«, sagte Teppic. »Vielleicht finde ich eine Möglichkeit, dich zu begnadigen oder so.«
»O ja«, murmelte Ptraci und sah auf ihre Fußnägel. »Du hast behauptet, der Pharao zu sein, nicht wahr?«
»Ich bin der Pharao! Das dort drüben ist mein Königreich …« Teppic zögerte kurz und wußte nicht so recht, in welche Richtung er zeigen sollte. »Ich meine, äh, das Tal im Riß. Ich herrsche darüber.«
»Du siehst nicht wie ein Pharao aus«, stellte Ptraci fest.
»Und wieso nicht?«
»Der Pharao trug immer eine goldene Maske.«
»Und dahinter befand sich mein Gesicht!«
»Also hast du befohlen, mich den Krokodilen zum Fraß vorzuwerfen?«
»Ja! Ich meine, nein.« Teppic zögerte erneut. »Ich meine, die Anweisung stammt vom Pharao. Nicht von mir. Wie dem auch sei: Ich habe dich gerettet«, fügte er galant hinzu.
»Genau darauf wollte ich hinaus. Außerdem: Wenn du der Pharao wärst, müßtest du auch ein Gott sein. Und im Augenblick hat
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