Pyramiden
schlafen. 25 Daß er die Möglichkeit hatte, unter versperrten Türen hinwegzukriechen und in Büchern zu lesen, ohne sie vorher aufzuschlagen, bot keinen angemessenen Ausgleich.
IIa glitt als vager Schemen zur Seite.
»Können wir denn überhaupt nichts für ihn tun?« fragte Ptaclusp. »Wie wär’s, wenn wir ihn zusammenrollen oder so?«
IIb hob kurz die Schultern. »Vielleicht sollten wir ihm etwas in den Weg stellen. Ja, das ist sicher eine gute Idee. Dadurch halten wir ihn auf. Und dann besteht nicht mehr die Gefahr, daß meinem Bruder noch schlimmere Dinge zustoßen. Sie haben gar keine Zeit, zu passieren. Glaube ich.«
Sie schoben die krumme Statue des Geierköpfigen Gottes Hut in den Weg des Flachen. IIa kroch weiterhin seitwärts, und nach knapp zwei Minuten erreichte er das Hindernis. Blaue Funken stoben und schmolzen einen Teil der Statue, doch der Buchhalter verharrte.
»Warum die Funken?« fragte Ptaclusp.
»Eine Art Entladungsblitz, nehme ich an.«
Ptaclusp wäre nicht da, wo er sich jetzt befand – wo ich mich gestern abend befunden habe, berichtigte er sich –, ohne selbst den seltsamsten Situationen Vorteile abzuringen.
»Er spart Kleidungskosten« sagte er. »Ich meine, er braucht sich nur einen neuen Anstrich zu geben.«
»Ich fürchte, du verstehst noch immer nicht ganz, wie es um ihn bestellt ist, Vater«, erwiderte IIb kummervoll. Er setzte sich neben Ptaclusp und starrte über den Fluß zum Palast.
»Dort drüben regt sich etwas«, stellte der Baumeister fest. »Glaubst du, die Leute wissen bereits, was mit der Großen Pyramide geschehen ist?«
»Würde mich nicht wundern. Immerhin hat sie sich um neunzig Grad verdreht.«
Ptaclusp blickte über die Schulter und nickte langsam.
»Komische Sache«, murmelte er. »Eine Art strukturelle Instabilität.«
»Es handelt sich um eine Pyramide, Vater! Wir hätten dafür sorgen sollen, daß sie sich entladen kann! Ich habe es dir doch gesagt! Die gespeicherten Energien waren einfach zu …«
Ein Schatten fiel auf sie. Die beiden Männer sahen sich um. Sie sahen auf. Sie sahen noch etwas höher.
»Meine Güte«, ächzte Ptaclusp, »das ist Hut der Geierköpfige Gott Unerwarteter Besucher …«
Um sie herum erstreckte sich Ephebe, ein gestaltgewordenes Epos aus weißem Marmor, das auf den Felsen der Bucht döste, umschmiegt von nassem Blau …
»Was ist das?« fragte Ptraci und betrachtete das Phänomen aufmerksam.
»Der Ozean«, sagte Teppic. »Auch Meer genannt. Ich habe dir davon erzählt, erinnerst du dich? Wellen und so.«
»Du hast gesagt, es sei grün und aufgewühlt.«
»Wenn starker Wind weht. Wenn’s stürmt. Wenn ein Orkan wütet.«
»Hmm.« Ptracis Tonfall wies darauf hin, daß sie nicht viel vom Meer hielt. Doch bevor sie eine entsprechende Bemerkung machen konnte, erklangen zornige Stimmen hinter einer nahen Düne.
An dem sandigen Hang stand ein Schild.
Die mehrsprachige Aufschrift lautete: EXPERIMENTIERSTATION FÜR AXIOME.
Und darunter verkündeten etwas kleinere Buchstaben: ACHTUNG – UNGELÖSTE POSTULATE.
Als sie die Warnung lasen – besser gesagt: Teppic las sie und Ptraci nicht –, ertönte ein dumpfes Pochen hinter der Düne, gefolgt von einem Klicken, gefolgt von einem Pfeil, der über sie hinwegsauste. Du Mistvieh beobachtete ihn kurz, senkte dann den Kopf und starrte auf einen bestimmten Bodenbereich.
Wenige Sekunden später bohrte sich der Pfeil in die betreffende Stelle.
Anschließend prüfte das Kamel sein Gewicht und führte eine kurze Berechnung durch. Das Ergebnis ließ den Schluß zu, daß zwei Menschen auf seinem Rücken fehlten. Eine schlichte Addition fügte ihre Masse der Düne hinzu.
»Was ist denn in dich gefahren?« fragte Ptraci und spuckte Sand.
»Jemand hat auf uns geschossen!«
»Das bezweifle ich. Immerhin weiß niemand, daß wir hier sind, oder? Es gab nicht den geringsten Grund, mich einfach so zu Boden zu stoßen.«
Teppic räumte widerstrebend ein, daß Ptraci vielleicht und unter Umständen recht haben mochte, erkletterte dann vorsichtig den Dünenhang. Erneut ertönten Stimmen.
»Gibst du auf?«
»Es liegt an den Parametern. Ich bin völlig sicher. Mit den Parametern stimmt was nicht.«
»Wir haben ein ganz anderes Problem.«
»Ach? Was denn für eins, hm?«
»Unser Vorrat an Schildkröten ist zur Neige gegangen, verdammt!«
Teppic spähte behutsam über die Dünenkuppe.
Weiter vorn sah er freies Gelände, gesäumt von einer kompliziert wirkenden Anordnung aus
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