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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sich so fest um die Maske, daß sie fast kleine Mulden im Gold hinterlassen hätten. Dios’ Lippen formten lautlos die Worte des Rituals der Zweiten Stunde, die seit Jahrtausenden um diese Zeit ausgesprochen wurden.
    »Wahrscheinlich ist es der Schock«, sagte einer der Priester. »Ich meine, er nimmt die Traditionen noch weitaus ernster als wir. Äh.«
    Die übrigen Geistlichen wollten unbedingt beweisen, daß sie der Situation gewachsen waren.
    »Man hole ihm ein Glas Wasser.«
    »Man ziehe ihm eine Papiertüte über den Kopf.«
    »Man opfere ein Huhn unter seiner Nase.«
    Draußen ertönte ein schrilles Heulen, gefolgt vom krachenden Donnern einer Explosion. Dumpfes Zischen schloß sich an, und Rauch wallte herein.
    Die Priester eilten zum Balkon und überließen Dios seinem Trauma. Vor dem Palast hatten sich Hunderte von gläubigen Bürgern eingefunden, und sie alle starrten gen Himmel.
    Der Hohepriester Cephuts, des Gottes des Eßbestecks, glaubte, etwas ruhiger und entspannter sein zu können. »Mir scheint, Thrrp hat die Sache verpatzt. Ein Überraschungsangriff Jehts des Ruderers der Sonnenkugel hat ihn zu Fall gebracht.«
    In der Ferne summte etwas, und es hörte sich an, als gerieten mehrere Milliarden Schmeißfliegen in Panik. Ein finsterer Schatten schwebte über den Palast hinweg.
    »Aber hier kommt Schrubb«, sagte der Priester Cephuts. »Ja, er gewinnt an Höhe und steigt kühn zum Meridian auf … Jeht hat ihn noch nicht gesehen … Und dort kommt auch Sessifet, Göttin des Nachmittags! Welche Überraschung! Meine Güte, welche Überraschung! Eine junge Göttin, die sich erst noch einen Namen machen muß, aber glauben Sie mir, sie ist wirklich vielversprechend und kann Erstaunliches leisten … Und, ja, Schrubb muß eine Niederlage einstecken! Sessifet packt ihn an den Greifzangen, schleudert ihn übers Firmament … Ja, meine Herren und Eunuchen, diese Runde geht eindeutig an die Göttin des Nachmittags …«
    Schatten tanzten über die Steine des Balkons.
    »Aber … was ist das? Die älteren Götter … Sie verbünden sich miteinander – es gibt keinen passenderen Ausdruck –, um den dreisten Emporkömmlingen eine Lektion zu erteilen! Doch die tapfere Sessifet steht ihren Mann, ich meine, sie steht ihre Göttin, weicht nicht von der Stelle! Sie nutzt die Schwächen ihrer Widersacher und … Ja, sie hat es geschafft! Welch großartiger Rückhandschlag! Und nun setzt sie sich ab, während Gil und Schrubb weiterhin miteinander kämpfen. Und jetzt … Sessifet hat gewonnen! Es ist Mittag, Mittag, Mittag!«
    Stille. Der Priester spürte die Blicke aller Anwesenden auf sich ruhen.
    »Warum schreien Sie in den Rohrkolben?« fragte jemand.
    »Äh, tut mir leid. Es kam einfach über mich.«
    Die Priesterin Sarduks des Gottes der Höhlen schnaubte leise.
    »Und wenn einer der Götter vom Himmel gefallen wäre? Zum Beispiel auf den Palast?«
    »Aber … aber …« Der Priester Cephuts schluckte. »Das ist doch nicht möglich, oder? Ich meine, nicht wirklich möglich. Bestimmt haben wir etwas gegessen, das uns schwer auf dem Magen liegt. Vielleicht waren wir auch zu lange in der Sonne oder so. Ich meine, wir wissen doch, daß die Götter gar nicht … Ich meine, die Sonne ist eine Kugel aus brennendem Gas, nicht wahr, sie umkreist jeden Tag die Welt und und und die Götter … Nun, es ist natürlich notwendig, daß die Bürger an sie glauben, bitte verstehen Sie mich nicht falsch …«
    Hinter Koomis Stirn trieben noch immer perfide Gedanken umher. Er verstand schneller als seine Kollegen.
    »Schnappt ihn!« rief er.
    Vier Priester ergriffen den bestürzten Verehrer des Eßbesteck-Gottes an Armen und Beinen, nahmen ordentlich Anlauf und warfen ihn über den Balkon. Unten im Djel platschte es.
    Nach einigen Sekunden tauchte der Mann wieder auf.
    »Warum behandeln Sie mich auf diese Weise?« jammerte er. »Ich habe erst letzte Woche gebadet. Und außerdem wissen Sie, daß ich recht habe. Niemand von Ihnen …«
    Das schlammbraune Wasser öffnete träge ein Maul, und der Priester verschwand, als Schrubb dicht über den Palast hinwegsegelte, abdrehte und in Richtung Berge flog.
    Koomi wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Ziemlich knappe Sache«, sagte er. Die übrigen Geistlichen nickten, starrten in den Fluß und hielten vergeblich nach ihrem Kollegen Ausschau. Djelibeby war plötzlich kein Ort mehr für ernsten Zweifel. Ernster Zweifel konnte dazu führen, daß Krokodile eine zusätzliche Mahlzeit

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