Pyramiden
bunten Pfählen und Markierungsfahnen. Teppic bemerkte zwei Gebäude, mehrere Käfige und andere, eher rätselhafte Konstruktionen. In der Mitte des Platzes standen zwei Männer, der eine klein, dick und nervös, der andere groß, gertenschlank und würdevoll. Ihre Kleidung schien aus Bettlaken zu bestehen. Mehrere fast nackte Sklaven warteten in der Nähe, und einer von ihnen hielt einen Bogen bereit.
Die Ausrüstung der anderen bestand aus Stöcken mit Schildkröten. Sie sahen aus wie besonders exotische Lutscher.
»Außerdem ist es grausam«, sagte der hochgewachsene Mann. »Arme Tiere. Sie sind so mitleiderweckend, wenn ihre Beine zappeln.«
»Die Logik verbietet den Pfeilen, sie zu treffen!« Der kleine Dicke gestikulierte ausladend. »Eigentlich müßte so etwas völlig ausgeschlossen sein. Bestimmt hast du mir die falschen Schildkröten gegeben«, fügte er vorwurfsvoll hinzu. »Wir sollten es mit schnelleren Exemplaren versuchen.«
»Oder mit langsameren Pfeilen?«
»Das wäre ebenfalls eine Möglichkeit.«
Teppic vernahm leises Knistern und beobachtete eine kleine Schildkröte, die an ihm vorbeitrippelte. Ihr Panzer wies mehrere Kratzspuren auf; vermutlich stammten sie von Pfeilspitzen.
»Ein letzter Test«, schlug der Dicke vor und wandte sich an die Sklaven. »He, ihr da! Sucht die entflohene Schildkröte!«
Das kleine Reptil sah Teppic betrübt an und appellierte stumm an sein Mitgefühl. Er erwiderte den Blick, griff nach dem Tier und setzte es hinter einen Stein.
Dann kehrte er zu Ptraci zurück.
»Dort drüben geschieht etwas höchst Eigenartiges«, sagte er. »Irgendwelche Männer schießen auf Schildkröten.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Offenbar glauben sie, die Tiere sollten in der Lage sein, den Pfeilen zu entkommen.«
»Das ist doch Unsinn.«
»Ganz meine Meinung. Wirklich eigenartig, nicht wahr? Um nicht zu sagen: sonderbar. Du bleibst hier. Ich pfeife, wenn keine Gefahr besteht.«
»Und was willst du tun, wenn’s brenzlig wird?« erkundigte sich Ptraci.
»Dann schreie ich.«
Teppic schob sich erneut am Dünenhang hinauf, klopfte sich möglichst viel Sand von der Kleidung, stand auf und winkte mit der Mütze. Ein Pfeil riß sie fort.
»Oh!« entfuhr es dem Dicken. »Tut mir leid.«
Er näherte sich Teppic, der auf seine prickelnden Finger herabsah.
»Ich hatte den Bogen in der Hand«, schnaufte der korpulente Mann. »Und ich wußte gar nicht, daß ein Pfeil auf der Sehne ruhte. Ach, bestimmt hältst du mich jetzt für einen schießfreudigen Unhold. O weh!«
Teppic holte tief Luft.
»Ich heiße Xeno, jawohl«, fuhr der Dicke fort, bevor Teppic einen Laut hervorbringen konnte. »Bist du verletzt? Ich bin ganz sicher, daß wir Warnschilder aufgestellt haben. Hast du die Wüste durchquert? Deine Kehle ist bestimmt völlig ausgedörrt, nicht wahr? Möchtest du etwas zu trinken? Wer bist du? Du hast nicht zufällig eine entflohene Schildkröte gesehen? Sind verdammt schnell, wie geölte Blitze. Wenn die kleinen Biester losrennen, kann man sie kaum aufhalten.«
Teppic atmete wieder aus.
»Schildkröten?« vergewisserte er sich. »Sprechen wir von, äh, beweglichen Steinen?«
»Haargenau richtig«, bestätigte Xeno. »Man läßt sie eine Sekunde aus dem Auge, und zack!«
»Zack?« wiederholte Teppic. Er wußte über Schildkröten Bescheid. Im Alten Königreich gab es jede Menge davon. Sie mochten geduldige Vegetarier sein, auch nachdenklich, fleißig und sexbesessen. Aber schnell? Das Wort ›schnell‹ wurde bei Schildkröten häufig verwendet, weil es das genaue Gegenteil ihrer Fähigkeiten beschrieb.
»Bist du ganz sicher?« fragte Teppic.
»Die gewöhnliche Schildkröte ist das schnellste Tier auf der ganzen Scheibenwelt«, sagte Xeno, brachte es jedoch fertig, ein einschränkendes ›Das behauptet jedenfalls die Logik‹ hinzuzufügen. 26
Der hochgewachsene Mann nickte Teppic zu.
»Beachte ihn gar nicht, Junge«, sagte er. »Seit dem Zwischenfall in der vergangenen Woche ist er ein wenig seltsam geworden.«
»Die Schildkröte hat den Hasen geschlagen«, erwiderte Xeno verdrießlich.
»Der Hase war tot«, stellte der Gertenschlanke ruhig fest. »Weil du ihn erschossen hast.«
»Ich habe auf die Schildkröte gezielt. Es bot sich eine gute Gelegenheit, zwei Experimente gleichzeitig durchzuführen. Ich wollte nur kostbare Forschungszeit sparen und die zur Verfügung stehenden Ressourcen möglichst gut nutzen …« Xeno winkte mit dem Bogen und setzte geistesabwesend
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