Pyramiden
versteckte.
Das Symposium verhalf Teppic zu einer weiteren Erkenntnis. Die Epheber stellten Wein aus allem her, das in einem Eimer Platz fand – und sie aßen alles, was nicht herauskriechen konnte.
Er stocherte auf seinem Teller herum. Einige Dinge leisteten entschlossenen Widerstand.
Außerdem: Wenn Philosophen miteinander sprachen, hörten sie sich nicht richtig zu. Und sie blieben nie beim Thema. Wahrscheinlich ist das angewandte Mokratie.
Ein Brotlaib sauste an ihm vorbei. O ja. Und sie haben ein überschäumendes Temperament.
Teppic bemerkte einen dürren kleinen Mann, der ihm gegenübersaß und auf einem gummiartigen Fleischstück kaute. Er war der einzige, der seine Meinung nicht aus sich herausbrüllte – abgesehen vom Geometer Pthagonal, der mürrisch den Radius seines Tellers berechnete. Manchmal machte sich die vertrocknet wirkende Gestalt Notizen auf kleinen Pergamentfetzen, die sie anschließend in einer Tasche ihrer Toga verstaute.
Teppic beugte sich vor. Einige Meter entfernt wurde Iesope mit Olivensteinen und Brotstücken bedrängt; er gab schließlich nach und begann mit einem Märchen, in dem es um Fuchs, Truthahn, Gans und Wolf ging. Angeblich hatten die Tiere darum gewettet, wer am längsten unter Wasser bleiben konnte – mit schweren Gewichten an den Beinen.
»Entschuldigung«, sagte Teppic und hob die Stimme, um den allgemeinen Lärm zu übertönen, »wer bist du?«
Der kleine Mann bedachte ihn mit einem scheuen Blick. Seine außergewöhnlich langen Ohren erinnerten an die Henkel eines Krugs.
»Ich heiße Endos«, antwortete er.
»Warum nimmst du nicht an der philosophischen Diskussion teil?«
Endos zerschnitt eine seltsame Molluske.
»Eigentlich bin ich gar kein Philosoph«, sagte er.
»Schreibst du humoristische Stücke?« erkundigte sich Teppic.
»Nein, leider nicht. Ich bin ein Zuhörer. Endos der Zuhörer, so nennt man mich.«
»Faszinierend«, erwiderte Teppic automatisch. »Und worin besteht deine Tätigkeit?«
»Ich höre zu.«
»Du hörst einfach nur zu?«
»Dafür bezahlt man mich«, sagte Endos. »Manchmal nicke ich. Oder ich lächele. Oder ich nicke und lächele gleichzeitig. Ermutigend und aufmunternd. Das gefällt meinen Kunden.«
Teppic gewann den Eindruck, daß an dieser Stelle ein Kommentar von ihm erwartet wurde. »Donnerwetter«, murmelte er.
Endos nickte ermutigend, und sein Lächeln deutete darauf hin, daß er sich derzeit nichts mehr wünschte, als Teppic zuzuhören. Von seinen Ohren ging ein besonderer Reiz aus. Sie schienen gewaltige akustische schwarze Löcher zu sein, die sich danach sehnten, mit Worten gefüllt zu werden. Teppic spürte die Versuchung, über sein Leben und seine Hoffnungen zu sprechen …
»Bestimmt bezahlt man dir eine Menge Geld«, sagte er.
Endos schmunzelte herzerfrischend.
»Hast du oft zugehört, wenn Copolymer seine Geschichte erzählte?«
Endos nickte und lächelte, obgleich ein Schatten des Schmerzes seinen Blick trübte.
»Vermutlich entwickeln die Ohren eines guten Zuhörers irgendwann eine Art Schutzmembran«, sagte Teppic.
Endos nickte. »Fahr fort!« drängte er.
Teppic drehte den Kopf und sah zu Pthagonal, der verdrießlich rechte Winkel in eine weiche, irgendwie brodelnde Käsemasse malte.
»Ich würde gern bleiben und zuhören, wie du zuhörst«, sagte er. »Aber dort drüben sitzt jemand, dem ich einige Fragen stellen möchte.«
»Erstaunlich«, entgegnete Endos, notierte sich etwas auf einem Zettel und richtete seine Aufmerksamkeit auf die anderen Gespräche am Tisch. Ein Philosoph betonte gerade mit Nachdruck, man könne das Wahre mit Schönheit gleichsetzen, obwohl Schönheit nicht immer wahr sei. Einige andere ephebische Denker hielten das für Unsinn. Erneut flogen Brotlaibe, Rinden und undefinierbare Dinge. Endos hörte konzentriert zu. 29
Teppic stand auf, wanderte am Tisch entlang und näherte sich Pthagonal, der wie ein Häufchen Elend auf seinem Stuhl saß und mißtrauisch unter ein Stück Pastete spähte.
Teppic sah ihm über die Schulter.
»Ich glaube, dort hat sich was bewegt«, sagte er.
»Ah«, erwiderte der Geometer, griff nach einer Amphora, biß in den Korken und zog ihn heraus, »der rätselhafte junge Mann in Schwarz aus dem verlorenen Königreich.«
»Vielleicht kannst du mir dabei helfen, es wiederzufinden«, sagte Teppic. »Wie ich hörte, haben die Epheber unvernünftige Vorstellungen. Damit läßt sich bestimmt etwas anfangen.«
»Früher oder später mußte es
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