QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
Rückseite abprallen, durch das Glas wieder hinaufwandern, als wollte es nach A, dann aber an der Vorderseite reflektiert werden und schließlich doch unten in B landen (vgl. Abb. 44). Dieser Weg setzt sich aus neun Schritten zusammen, auf denen wir das Licht im folgenden begleiten wollen, um zu sehen, was mit dem Einheitspfeil Schritt für Schritt passiert (keine Angst, er kann nur schrumpfen und sich drehen!).
Erster Schritt – Photon wandert durch die Luft – Drehung, keine Verkürzung. Zweiter Schritt – Photon passiert die Oberfläche des Glases – keine Drehung, aber Verkürzung auf 0,98. Dritter Schritt – Photon geht durch das Glas – Drehung, keine Verkürzung. Vierter Schritt – Reflexion an der Rückseite – keine Drehung, aber Verkürzung auf das 0,2fache von 0,98, das heißt auf 0,196. Fünfter Schritt – Photon wandert durchs Glas zurück nach oben – Drehung, keine Verkürzung. Sechster Schritt – Photon prallt an der Oberfläche (für das im Glas befindliche Photon genaugenommen die »Rückseite«) ab – keine Drehung, aber eine Verkürzung auf das 0,2fache von 0,196 oder auf 0,0392. Siebter Schritt – Photon durchquert das Glas nach unten – eine weitere Drehung, keine Verkürzung. Achter Schritt – Photon passiert die Rückseite – keine Drehung, aber eine Verkürzung auf das 0,98fache von 0,0392 oder auf 0,0384. Und schließlich der neunte Schritt – Photon wandert durch die Luft zum Detektor – Drehung, keine Verkürzung.
Nach all diesen Verkürzungen und Drehungen erhalten wir eine Amplitude von der Länge 0,0384 – sagen wir, weil das praktischer ist, 0,04. Und dieser Pfeil ist um einen Winkel gedreht, der dem Gesamtdrehwinkel des Stoppuhrzeigers beim Stoppen des Photons auf dem längeren Weg entspricht. Er stellt einen zweiten Weg dar, den das Licht von der Quelle nach B nehmen kann. Jetzt haben wir zwei Alternativen, folglich müssen wir die beiden Pfeile addieren – den Pfeil für den direkteren Weg mit der Länge 0,96 und den Pfeil für den längeren Weg mit der Länge 0,04 –, um den resultierenden Pfeil zu erhalten.
Gewöhnlich zeigen die beiden Pfeile nicht in die gleiche Richtung, weil sich durch eine Veränderung der Glasdicke auch die Richtung des 0,04-Pfeils zum 0,96-Pfeil verändert. Wie gut hat doch die Natur vorgesorgt: Die Extradrehungen des Stoppuhrzeigers bei der Messung der Zeit, die das Photon während der Schritte 3 und 5 (auf seinem Weg nach A) braucht, entsprechen genau den Extradrehungen, die er beim Stoppen des Photons in den Schritten 5 und 7 (auf dem Weg nach B) macht. Das heißt, wenn sich die beiden Reflexionspfeile gegenseitig aufheben, so daß wir einen resultierenden Pfeil erhalten, der keine Reflexion darstellt, verstärken sich die Transmissionspfeile zu einer Resultierenden von der Länge 0,96 + 0,04 oder 1 – wenn also die Wahrscheinlichkeit für die Reflexion null beträgt, ist die Wahrscheinlichkeit für die Durchlässigkeit 100 Prozent (vgl. Abb. 45). Umgekehrt gehen die Transmissionspfeile aufeinander los, so daß sich eine Amplitude von der Länge 0,96 – 0,04 oder 0,92 ergibt, wenn die Reflexionspfeile einander zu einer Amplitude von 0,4 verstärken – das heißt, errechnen wir für die Reflexion 16 Prozent, ergibt unsere Berechnung für die Transmission 84 Prozent (0,92 im Quadrat). Sie sehen, wie klug sich die Natur ihre Gesetze ausgedacht hat, damit sich unter dem Strich stets 100 Prozent der Photonen zusammenfinden! 8
Zum Schluß dieser Vorlesung möchte ich Sie noch auf einen Zusatz zur Pfeile-Multiplikationsregel hinweisen: Pfeile müssen nicht nur bei Ereignissen, die aus einer Reihe von Schritten bestehen, multipliziert werden, sondern auch bei Ereignissen, die sich aus mehreren voneinander unabhängigen, nebeneinander womöglich gleichzeitig ablaufenden Vorgängen zusammensetzen. Nehmen wir zum Beispiel an, wir haben zwei Lichtquellen, X und Y, und zwei Detektoren, A und B (vgl. Abb. 47), und möchten die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von folgendem Ereignis berechnen: Nachdem X und Y je ein Photon verloren haben, gewinnen A und B je ein Photon.
Bei diesem Beispiel wandern die Photonen durch den Raum zu den Detektoren – sie werden weder reflektiert, noch durchqueren sie irgendein Medium. Damit bietet sich mir eine gute Gelegenheit, endlich auch die Tatsache der Streuung bei der Ausbreitung des Lichts zu berücksichtigen. Im folgenden werde ich Ihnen nun das vollständige Gesetz für die
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