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QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)

QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)

Titel: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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Natürlich werden auch jene unter Ihnen, die die beiden anderen Vorlesungen gehört haben, das folgende nicht begreifen, aber Sie wissen immerhin bereits, daß das ganz in Ordnung ist. Denn wie ich Ihnen schon in der ersten Vorlesung dargelegt habe, entzieht sich die Art und Weise, wie uns die Natur nötigt, sie zu beschreiben, unserem Verständnis ganz allgemein.
    Diese Vorlesungen befassen sich mit einem Teilgebiet der Physik, das wir bestens kennen: mit der Wechselwirkung von Licht und Elektronen. Hierher gehören die meisten Ihnen vertrauten Erscheinungen – so zum Beispiel die gesamte Chemie und die Biologie. Einzig die Phänomene der Schwerkraft und der Kernphysik widersetzen sich dieser Theorie; alle anderen vermag sie zu erklären.
    Wie sich in der ersten Vorlesung gezeigt hat, besitzen wir kein befriedigendes Modell, um auch nur die einfachsten Erscheinungen, etwa die partielle Reflexion des Lichts an Glas, zu beschreiben. Ebensowenig können wir vorhersagen, ob ein bestimmtes Photon vom Glas zurückgeworfen oder durchgelassen wird. Alles, was wir können, ist, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines bestimmten Ereignisses berechnen, in diesem Fall also, ob das Licht reflektiert wird. (Bei senkrechtem Auftreffen des Lichts auf eine einzige Glasfläche beträgt die Wahrscheinlichkeit zirka 4 Prozent, bei größeren Einfallswinkeln etwas mehr.)
    Für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit unter gewöhnlichen Umständen gelten folgende »Kombinationsregeln«: 1) wenn etwas auf verschiedene Weise geschehen kann, werden die Wahrscheinlichkeiten für jede der verschiedenen Möglichkeiten addiert ; 2) wenn das Ereignis aus einer Abfolge von Schritten besteht – oder von einer Anzahl Dinge abhängt, die »gleichzeitig« (unabhängig voneinander) eintreten, werden die Wahrscheinlichkeiten für jeden Schritt (oder jedes Ding) multipliziert.
    In der wunderbaren, wilden Welt der Quantenphysik wird zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit die Länge eines Pfeils quadriert. Das heißt, wo wir unter gewöhnlichen Umständen Wahrscheinlichkeiten addieren würden, »addieren« wir Pfeile , und wo wir normalerweise die Wahrscheinlichkeiten multipliziert hätten, »multiplizieren« wir Pfeile. Die seltsamen Antworten, die wir bei dieser Art der Berechnung der Wahrscheinlichkeiten erhalten, stimmen mit den Versuchsresultaten vollständig überein. Welch reizvolle Laune der Natur, die uns bei ihrer Erschließung zu so seltsamen Regeln und befremdlichen Schlüssen nötigt – mir macht es jedesmal erneut Spaß, den Leuten zu sagen, daß es keine »Räder und kein Getriebe« gibt, daß man der Natur einzig und allein auf diese Weise beikommen kann.
    Bevor wir uns aber den Kernproblemen dieser Vorlesung zuwenden, möchte ich Ihnen das Verhalten des Lichts noch an einem anderen Beispiel veranschaulichen. Nehmen wir an, wir haben sehr schwaches, monochromatisches Licht – die Lichtquelle in S soll immer nur ein Photon aussenden –, das von einem Detektor in D aufgefangen wird (vgl. Abb. 49). Nun schieben wir zwischen die Lichtquelle und den Detektor einen Schirm mit zwei winzigen, nur wenige Millimeter voneinander entfernten Spalten in A und B. (Wenn Lichtquelle und Detektor einen Meter auseinander sind, müssen die Spalte kleiner als ein zehntel Millimeter sein.) A soll auf gleicher Höhe mit S und D liegen, B etwas seitlich von A, also nicht auf gleicher Höhe mit S und D.
    Schließen wir den Spalt in B, so registrieren wir eine bestimmte Anzahl Klicks in D – Zeichen dafür, daß eine bestimmte Anzahl Photonen von S über A nach D gelangt ist (sagen wir, von 100, die die Lichtquelle verlassen, 1, also 1 Prozent). Nun schließen wir den Spalt in A und öffnen den in B, so erhalten wir, wie wir aus der zweiten Vorlesung wissen, weil die Spalte so klein sind, etwa dieselbe Anzahl Klicks. (Bekanntlich genügt es, das Licht übermäßig »zusammenzupressen«, um die in der gewöhnlichen Welt geltenden Gesetze – wie die geradlinige Ausbreitung des Lichts – über den Haufen zu werfen.) Öffnen wir dagegen beide Spalte, kompliziert sich die Antwort aufgrund der nun einsetzenden Interferenz: bei einem bestimmten Abstand zwischen den Spalten erhalten wir mehr Klicks als vermutet (anstatt 2 Prozent maximal 4 Prozent); bei einer leichten Veränderung des Abstands gar keine.

     
    Eigentlich würde man ja erwarten, daß sich nach Öffnung eines zweiten Spalts die auf den Detektor auftreffende Lichtmenge auf jeden Fall erhöhen

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