QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
Ausbreitung monochromatischen Lichts durch den Raum von einem Punkt zu einem anderen darlegen – ohne jede Näherung und ohne Vereinfachung. Mehr gibt es über die Ausbreitung von monochromatischem Licht durch den Raum (unter Ausklammerung der Polarisation) nicht zu wissen: Der Winkel des Pfeils hängt von dem fiktiven Stoppuhrzeiger ab, der (je nach der Farbe des Photons) pro Inch (= 2,54 cm) soundso viele Umdrehungen macht; und die Länge des Pfeils ist der Entfernung, die das Licht zurücklegt, umgekehrt proportional – mit anderen Worten, der Pfeil schrumpft unterwegs zusammen. 9
Nehmen wir an, der Pfeil für X nach A ist 0,5 lang und zeigt auf 5 Uhr, genau wie der Pfeil für Y nach B (Abb. 47). Dann ergibt die Multiplikation beider Pfeile einen resultierenden Pfeil von der Länge 0,25, der auf 10 Uhr zeigt.
Doch warten Sie! Es gibt noch eine andere Möglichkeit, wie dieses Ereignis ablaufen könnte: Ein Photon könnte von X nach B gehen und ein Photon von Y nach A. Jedes dieser Unterereignisse hat eine Amplitude, und auch diese Pfeile müssen wir zeichnen und multiplizieren, um die Amplitude für diesen bestimmen Weg, für diese Möglichkeit des Ereignisablaufs, zu erhalten (vgl. Abb. 48). Da die Verkürzung über die Entfernung sehr viel geringer ausfällt als die Drehung, haben die Pfeile von X nach B und von Y nach A im wesentlichen die gleiche Länge wie die anderen Pfeile, nämlich 0,5, während sie sich in der Drehung stark unterscheiden: Immerhin dreht sich der Stoppuhrzeiger bei rotem Licht 36 000 mal pro Inch. Demnach genügt schon ein winziger Unterschied in der Entfernung, um einen merklichen Unterschied in den Zeiten zu erzielen.
Die Resultierende errechnet sich aus der Addition der Amplituden für jede Möglichkeit des Ereignisablaufs. Da sich die Pfeile in der Länge nicht wesentlich unterscheiden, können sie sich, wenn sie in die entgegengesetzte Richtung zeigen, gegenseitig auslöschen. Die Richtung zweier Pfeile zueinander läßt sich durch eine Veränderung des Abstands zwischen den Lichtquellen oder den Detektoren verändern: Man braucht lediglich die Detektoren etwas auseinander- oder zusammenzuschieben, um die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses zu erhöhen oder vollständig auszuschalten – gerade wie im Fall der partiellen Reflexion an zwei Grenzflächen. 10
Bei diesem Beispiel haben wir die Pfeile multipliziert und dann addiert und so den resultierenden Pfeil (die Amplitude für das Ereignis) gefunden, dessen Quadrat die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses angibt. Eins aber müssen wir uns merken, wie viele Pfeile wir auch zeichnen, addieren oder multiplizieren mögen unser Ziel ist es, eine einzige Resultierende für das Ereignis zu errechnen. Gerade in diesem Punkt unterlaufen den Anfängern unter den Physikstudenten nämlich häufig Fehler. Sie analysieren so lange Ereignisse mit einem einzelnen Photon, daß sie den Pfeil schließlich mit dem Photon selber assoziieren. Aber diese Pfeile sind und bleiben Wahrscheinlichkeitsamplituden und geben, wenn sie quadriert werden, die Wahrscheinlichkeit eines vollständigen Ereignisses an. 11
In der nächsten Vorlesung möchte ich Sie in die Eigenschaften der Materie einführen – Ihnen, wenn auch etwas vereinfacht, erklären, woher die Verkürzung auf das 0,2fache kommt, warum Licht sich in Glas oder Wasser langsamer auszubreiten scheint als in Luft, und so weiter – denn bis jetzt habe ich Sie ein bißchen beschummelt: Die Photonen prallen gar nicht an der Oberfläche des Glases ab; in Wirklichkeit kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen ihnen und den Elektronen des Glases. Ich werde Ihnen zeigen, wie sie von einem Elektron zum anderen laufen (etwas anderes tun sie nämlich nicht) und wie Reflexion und Transmission schließlich dadurch zustande kommen, daß ein Elektron ein Photon herauspickt, sich etwas ratlos »den Kopf kratzt« – ein ebenso hübsches wie einfaches Bild für das, was wir im voraufgehenden besprochen haben – und ein neues Photon ausschickt.
3. Elektronen und ihre Wechselwirkungen
Heute kommen wir also zur dritten von vier Vorlesungen über ein reichlich schwieriges Thema – die Theorie der Quantenelektrodynamik –, zu der sich offensichtlich mehr Hörer eingefunden haben als zu den beiden voraufgegangenen. Ich fürchte allerdings, daß diejenigen unter Ihnen, die heute abend neu dazugekommen sind, das, was ich Ihnen diesmal zu sagen habe, recht unverständlich finden werden.
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