QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
beträgt.
Wollen wir nun wissen, wie oft der Detektor in D klickt, ohne uns weiter darum zu kümmern, ob das Photon den Weg über A oder B genommen hat, errechnet sich die Wahrscheinlichkeit einfach aus der Summe der beiden Ereignisse – 2 Prozent. Im Prinzip haben wir also, wenn im System etwas vorhanden ist, was wir beobachtet haben könnten , um den vom Photon eingeschlagenen Weg herauszufinden, verschiedene »Endzustände« (unterscheidbare Endbedingungen), und wir addieren die Wahrscheinlichkeiten – nicht die Amplituden – für jeden Endzustand. 12
Ich habe Ihnen diese Spielarten vorgeführt, um Ihnen zu demonstrieren, wie sehr das seltsame Verhalten der Natur die Aufstellung eines Modells, das auch nur die einfachsten Phänomene erklärt, erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. Die theoretische Physik hat in diesem Punkt auch die Waffen gestreckt.
In der ersten Vorlesung haben wir gelernt, wie ein Ereignis in alternative Möglichkeiten zerlegt werden kann und wie die Pfeile für jede Möglichkeit »addiert« werden. In der zweiten Vorlesung haben wir gesehen, wie sich jede solche Möglichkeit oder jeder Weg in eine Abfolge von einzelnen Schritten aufgliedern läßt, wie der Pfeil für jeden Schritt als Veränderung eines Einheitspfeils aufgefaßt werden kann und wie die Pfeile für die verschiedenen Schritte durch aufeinanderfolgende Verkürzungen und Drehungen »multipliziert« werden können. Somit sind wir mit all den zum Zeichnen und Kombinieren von Pfeilen erforderlichen Gesetzen vertraut, um schließlich den resultierenden Pfeil zu errechnen, dessen Quadrat die Wahrscheinlichkeit eines beobachteten physikalischen Ereignisses darstellt. All die voraufgehenden kleinen Pfeile symbolisieren, um das noch einmal festzuhalten, kleine Ereignisstückchen und -schnipsel.
Nun werden Sie mich natürlich fragen, wie lange sich dieser Prozeß der Aufspaltung von Ereignissen in immer einfachere Teilereignisse fortführen läßt und wie die kleinstmöglichen Ereignisschnipsel beschaffen sind beziehungsweise ob sich alle Ereignisse, die mit Licht und Elektronen zu tun haben, aus einer beschränkten Anzahl solcher Ereignisschnipsel zusammensetzen lassen. Kurzum, ob die Sprache der Quantenelektrodynamik aus einer beschränkten Anzahl »Buchstaben« besteht, aus denen sich die »Wörter« und »Sätze« bilden lassen, mit deren Hilfe wir nahezu jede Naturerscheinung beschreiben können.
Die Antwort lautet: Ja, und zwar aus drei. Drei Grundvorgänge genügen, um alle mit Licht und Elektronen verbundenen Phänomene hervorzurufen.
Bevor ich Ihnen diese drei Grundvorgänge benenne, sollte ich Ihnen der Ordnung halber erst einmal die Beteiligten vorstellen. Die Akteure sind Photonen und Elektronen. Die erstgenannten, die Photonen oder Lichtpartikel, haben wir in den beiden ersten Vorlesungen bereits ausführlich besprochen. Die Elektronen wurden bei ihrer Entdeckung 1895 als Teilchen eingestuft, zum einen, weil man sie zählen konnte; zum andern, weil man sie auf einen Tropfen Öl setzen und ihre elektrische Ladung messen konnte. Daß ihre Bewegung im Draht den elektrischen Strom hervorruft, stellte sich erst nach und nach heraus.
In der ersten Zeit nach der Entdeckung der Elektronen betrachtete man die Atome als eine Art kleiner Sonnensysteme, bestehend aus einem schweren Zentrum (dem sogenannten Atomkern) und Elektronen, die es, ähnlich wie die Planeten die Sonne, auf bestimmten »Bahnen« umkreisen. Wer sich diese Atomvorstellung bewahrt hat, lebt, was die Entwicklung der Physik betrifft, im Jahre 1910. 1924 entdeckte Louis De Broglie den wellenartigen Charakter der Elektronen, und noch im selben Jahr wiesen C. J. Davisson und L. H. Germer von den Bell Laborstories anhand der Bombardierung eines Nickelkristalls mit Elektronen nach, daß sie (genau wie Röntgenstrahlen) in verrückten Winkeln abprallen, die sich mit De Broglies Formel für die Wellenlänge eines Elektrons berechnen lassen.
Betrachten wir das Verhalten der Photonen im Großen – über Entfernungen, die nicht mehr mit der Umdrehung eines Stoppuhrzeigers zu messen wären –, lassen sich die Erscheinungen durch Gesetze wie dem von der »geradlinigen Ausbreitung des Lichts« näherungsweise recht gut erfassen, denn der Weg der geringsten Zeit wird durch genügend viele benachbarte Wege hinreichend verstärkt. Umgekehrt genügt die Zahl der anderen Wege, damit sich diese gegenseitig aufheben. In dem Augenblick aber, in dem der
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